Richard Kavuma ist Afrikanischer Journalist des Jahres 2007. Er erhielt den CNN-Preis für eine Reihe über die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) der UNO in der ugandischen Wochenzeitung Weekly Observer. Patricia Karner sprach mit ihm in Kampala über die Umsetzung der MDGs in Uganda, über Journalismus in Afrika und Zensur.
Südwind: Wie fühlt man sich, nachdem man zum Afrikanischen Journalisten des Jahres gewählt wurde? Waren Sie überrascht?
Richard Kavuma: Es war kein Ziel, kein Traum von mir, diesen Preis zu gewinnen. Es ist einfach passiert und ich bin stolz darauf. Besonders wichtig ist mir, dass diese Anerkennung alle Kollegen ermutigt, es in unserer oft nicht sehr geschätzten Profession auszuhalten.
Sie wurden für eine Serie über die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) ausgezeichnet, in der sie jedem der acht MDGs einen Artikel gewidmet haben. Was hat Sie an dem Thema interessiert?
Die internationale Gemeinschaft und die ugandische Regierung sprechen viel über die MDGs. Aber kaum jemand macht sich die Mühe hinauszugehen und sich die Entwicklungen vor Ort anzusehen, mit der Bevölkerung zu sprechen. Ich habe mir sehr viel Zeit dafür genommen, mit Leuten in Uganda zu sprechen.
Was sind die herausragenden Erkenntnisse Ihrer Recherche zur Umsetzung der MDGs in Uganda?
Der erste Artikel beschäftigt sich zum Beispiel mit dem ersten Ziel, die Armut zu verringern. 1990 lebten 56 Prozent der Ugander unter der monetären Armutsgrenze. Heute sind es 31 Prozent, etwa neun Millionen Menschen. Immer noch viel zu viele. Und dabei sprechen wir nur von der Armutsgrenze auf das Einkommen bezogen, was eine sehr eingeschränkte Sicht darstellt. Das zweite MDG ist Grundschulausbildung für alle, ein Ziel, dem die Regierung mit dem Programm Universal Primary Education (UPE) begegnet. Vor zwölf Jahren sind nur etwa 2,5 Millionen Kinder in die Schule gegangen, heute sind es sechs bis sieben Millionen. Eine der größten Herausforderungen wird aber im UPE nicht bedacht. Es wird keine qualitativ hochwertige Bildung geboten. Die Lehrpersonen sind unterbezahlt, kaum motiviert und meist schlecht ausgebildet. Die Kinder selbst sind hungrig und unkonzentriert. Ja, UPE funktioniert auf Quantität bezogen, leider aber nicht auf Qualität. Es gibt wesentliche Punkte, die in den MDGs nicht beachtet werden.
Fühlt sich die ugandische Regierung durch die MDGs unter Druck gesetzt?
Ugandas Regierung war bereits vor Erstellung der MDGs sehr ambitioniert und plant eigentlich über diese hinaus. Der nationale Poverty Eradication Action Plan (Aktionsplan zur Beseitigung der Armut, Anm.) setzt der Regierung von den Absichten her höhere Ziele.
Also haben die MDGs keine Wirkung?
Das kann man so nicht sagen. Das Gute an den MDGs ist, dass sie einen Bewusstwerdungsprozess in Gang gesetzt haben und die innerugandischen Bemühungen in einen globalen Kontext stellen.
Sie waren zur Fortbildung unter anderem in Deutschland und sprechen auch Deutsch. Was sind die Besonderheiten des Journalismus in Afrika oder speziell in Uganda im Vergleich mit Europa?
Journalismus in Afrika hat nicht den gleichen Stellenwert wie etwa in Europa. Zumindest nicht die Printmedien. Wir erreichen keine so große Leserschaft und die Politiker in Europa haben mehr Respekt vor den Medien.
Hier in Uganda hat erst vor kurzem ein bestimmter Minister den Medien öffentlich gedroht und gesagt, dass er sie sehr genau im Auge habe und darauf achte, dass niemand die Regierung angreift. Vor allem in Hinblick auf das bevorstehende Commonwealth Treffen sei es ihm ernst. Für afrikanische Regierungen und Staatschefs gehören die Medien immer zur Opposition und gelten somit quasi als Staatsfeinde. Als unabhängiger Journalist wird man ständig überwacht und als potenzieller Feind gesehen. Man gesteht uns selten zu, wirklich an der Wahrheit interessiert zu sein und daran, die Menschen zu informieren.
Würden Sie von Zensur sprechen?
Wie gesagt, ein Minister der ugandischen Regierung tut öffentlich kund, die Medienlandschaft zu überwachen. Ich habe in der Schreibtischlade in meinem Büro ein Schreiben von den lokalen Behörden meines Heimatortes, das meine Identität und Rechtschaffenheit bestätigt. Dieser Brief wird verlangt, wenn man jemanden auf Kaution aus dem Gefängnis holen will. Damit müssen wir ständig rechnen. Erst kürzlich musste ich den Brief verwenden, um einem meiner Herausgeber beizustehen. Wenn wir die neue Ausgabe des Weekly Observer Dienstag abends noch einmal durchgehen und kritische Überschriften dabei sind, scherzen wir: „Und, willst du morgen vielleicht zum CID (Criminal Investigation Directorate, Anm.) gehen? Hast Du Dein Testament gemacht?“ Und wirklich ist es oft so, dass am Erscheinungstag ein Anruf kommt und der Autor vor Gericht zitiert wird. Immer wird irgendein Anklagepunkt gefunden und wir brauchen unsere Briefe – ich bin nicht der Einzige, der einen in der Schublade hat.
Patricia Karner ist Theaterwissenschaftlerin, lebt in Uganda und ist für verschiedene Organisationen tätig.