Am richtigen Ort in der wirklichen Welt

Von Amarakoon Disanayaka Piyasena · · 2006/02

Wer scheinbar nicht im „Vollbesitz seiner geistigen Kräfte“ ist, wird auch unter besten Umständen eher gefürchtet als unterstützt. In ländlichen Gebieten kann noch Aberglaube dazu kommen – zumindest das blieb Amarakoon Disanayaka Piyasena aus Sri Lanka erspart.

Amarakoon Disanayaka Piyasena lebt in einem Dorf in der Region Angunukolapalessa im Süden Sri Lankas. Der heute 41-Jährige war mit 19 Jahren als „schizophren“ diagnostiziert worden. Mit 16 war Piyasena noch voller Ambitionen und eher ein Träumer, den Kopf voller Pläne, wie man reich werden könnte. Als er eine wichtige Prüfung wiederholen musste, verlor er das Interesse an der Schule. Stattdessen begann er sich mit Hausbauplänen zu beschäftigen.
„Damals dachten wir wirklich daran, ein neues Haus zu bauen“, erzählt seine Mutter Manikhami. „Aber wegen seiner andauernden Beschäftigung damit schöpften wir etwas Verdacht. Wir sahen, dass er in einem Dutzend Notizbüchern Eintragungen vornahm. Einmal, als er nicht zuhause war, sahen wir uns sie an und blätterten sie durch. Ich war sprachlos. Sie waren voller kindlicher Zeichnungen, die völlig sinnlos erschienen.“
Rückblickend stellte die Familie fest, dass sie gewisse Vorzeichen seiner Krankheit nicht beachtet hatte – dass er etwa für längere Zeit ins Nichts starrte, auf die Straße blickte, als ob er jemand erwarten würde, gelegentlich mit sich selbst sprach. Sie ließen ihn zuerst von einem ayurvedischen Arzt untersuchen, der die Symptome auf Magenprobleme zurückführte. Als das nichts half, brachten sie ihn zu anderen Ärzten, 150 Kilometer weit entfernt. Aber Piyasena vertraute keiner westlichen Medizin, verweigerte die Einnahme von Medikamenten und wurde aggressiver.

„Unsere Nachbarn und die anderen Leute im Dorf waren uns eine enorme Hilfe“, erzählt Manikhami. „Als er anfing, ziellos herumzulaufen, brachten sie ihn nach Hause. Niemand hatte Angst vor ihm, und niemand versuchte, ihm etwas anzutun. Wenn wir ihn in ein Krankenhaus bringen mussten, stellten sie uns ihre Fahrzeuge gratis zur Verfügung.“ Piyasena musste in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgenommen werden, 250 km von zuhause entfernt. Dort blieb er zwei Wochen lang.
„Im Krankenhaus waren alle nett“, erinnert sich Piyasena. „Die Ärzte sahen einmal die Woche bei uns vorbei. Und alle warteten auf den Tag, an dem sie entlassen würden. Es war ein schlimmer Ort. Wenn man dorthin geht, kommt man schwer wieder raus. Die Gesellschaft wird einen als verrückt abstempeln, und sie werden versuchen, einen so lange wie möglich drinnen zu behalten.“
„Eines Tages hatte ich die Idee, davonzulaufen. Hoffnung wird einen befreien; Angst wird einen zum Gefangenen machen. Ich hatte keinen besonderen Plan. Aber eines Nachts sprang ich über die hohe Mauer um das Krankenhaus und ich war frei. Ich ging zu meiner Schwester in Wattela. Ich war mir nicht darüber im Klaren, was ich da tat. Ich hatte kein Geld dabei. Aber ich erinnere mich, dass ich auf dem Weg zu meiner Schwester etwas aß. Und ich war in Bussen unterwegs. Es war wie im Traum. Aber am Ende war ich am richtigen Ort in der wirklichen Welt.“ Seine Schwester Premawathi liebte ihn zu sehr und brachte es nicht übers Herz, ihn in das Krankenhaus zurückzubringen.

„Ich versuchte, mich selbst ohne Medikamente zu kontrollieren. Und es half wirklich. Meine Krankheit war bis zu einem gewissen Grad unter Kontrolle. Ich wusste, dass ich Probleme bekommen würde, wenn ich über etwas nachdachte, mehr daran dachte als wirklich nötig. Also dachte ich über überhaupt nichts ernsthaft nach.“
Wenig danach arrangierten seine Eltern seine Heirat, ohne seine Frau von seinen bisherigen Problemen zu informieren. Die Ehe wurde geschieden, und Piyasena landete wieder im Krankenhaus. Aber dieses Mal war er eher bereit, Medikamente zu akzeptieren. Heute lebt er wieder in seinem Dorf, nimmt seine Medikamente und hilft seinem jüngeren Bruder, einem Tischler. Für kleinere Arbeiten verlangt er kein Geld – es bedeutet ihm mehr, dass er von der Dorfgemeinschaft geschätzt wird.

Amarakoon Disanayaka Piyasena sprach mit Thilina Surath de Mel.
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