Alphabet meines Lebens

Von Ruth Papacek · · 2011/05

Juri Rytchëu

Roman. Aus dem Russischen von Antje Leertz. Zürich, Unionsverlag 2010, 379 Seiten, EUR 20,60

Der „erste“ Schriftsteller der Tschuktschen, die sich selbst als „Luorawetlan“ („echte Menschen“) bezeichnen, präsentiert in seinem neuesten Werk unterschiedlichste Episoden seines Lebens. Den einzelnen Passagen steht jeweils das sie prägende russische Wort samt seiner tschuktschischen Entsprechung vor, sodass der Titel „Alphabet meines Lebens“ durchaus wörtlich verstanden werden kann.
So beschreibt Juri Rytchëu z.B. im Kapitel Кит (Wal) die Bedeutung des Wales für die Tschuktschen, die ihn als heiliges Lebewesen verehren, ihn jagen, mit seinem Fett die Hütten beheizen, aus den Knochen Möbelstücke herstellen und ihn zur Gänze verwerten. In Баня (Dampfbad) erzählt der Autor von seiner ersten Begegnung mit einem Bad. Dieses befand sich in der Polarstation und wurde üblicherweise nur von den „Tangitan“ benutzt, deren seltsames Verhalten dort von den Tschuktschen belächelt wurde. Man erzählte sich Schauergeschichten darüber, wie sie zuerst in einen überheizten Raum voller Dampf gehen, dort schwitzen, und sich nachher noch mit Birkenruten schlagen. Als Rytchëu jedoch das erste Mal das reinigende Gefühl der schäumenden Seife erlebt, ist er fasziniert von der heißen Waschung. Das Kapitel Музей (Museum) handelt vom Befremden des Autors, als er im Petersburger Museum für Ethnographie ein arktisches Jägerkajak samt Insassen entdeckt und sich erniedrigt fühlt, als Ausstellungsobjekt zu dienen. Einen Schock jedoch erlebte er im Vorzimmer des Polarforschers Jean Mallory, der dort die Attrappe eines Meeresjägers stehen hatte – wie seltsam wäre es denn nun, wenn Rytchëu eine Attrappe des Professors in seiner Wohnung stehen hätte?!

Durch alle Episoden hindurch wird deutlich, wie gekonnt der Autor biographische Details mit Hintergrundwissen über das tschuktschische Volk verknüpft und mit einem ernsten Augenzwinkern die besonderen Momente seines Lebens schildert.

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