In der Fremde ist das Haus dunkel, lautet ein Sprichwort aus Liberia. Was fremd ist, ist eine Frage der Perspektive. Und diese kann sich ändern. Auch in Schulbüchern.
Schulbücher gehören zu den am meisten gelesenen Medien Österreichs. 1.202.033 SchülerInnen gab es 2007/08 insgesamt in Österreich; davon besuchten 249.703 eine Hauptschule sowie 205.442 ein Gymnasium. Welches Afrika-Bild nehmen sie aus der Schule mit?
Afrika wird in den Unterrichtsbüchern meist stark simplifizierend als einheitlicher Block dargestellt, negative Sprachbilder dominieren, so Christa Markom und Heidi Weinhäupl. Die beiden Kulturanthropologinnen widmeten sich in ihrer Studie über "Die Anderen im Schulbuch" dem Afrika-Bild in den gängigen Lehrbüchern für Geschichte, Geographie und Biologie. Ihr Fazit: Trotz der vielen negativen Darstellungen sind einige SchulbuchautorInnen durchaus bemüht, ein differenziertes Bild von Afrika zu vermitteln. Dieses werde aber nur verkürzt und an Hand einiger weniger positiver Beispiele, allen voran Südafrika, gezeigt.
Dass sich die Lehrbücher in den vergangenen Jahren durchaus verbessert haben, sieht auch Walter Sauer, Universitätsprofessor für Geschichte an der Universität Wien, so. Abwertende Bezeichnungen wie Hottentotten oder Buschmänner kommen in neueren Schulbüchern nicht mehr vor, auch Zeitgeschichte hat mehr Platz. Doch zur Qualität der Beiträge fällt sein Urteil negativ aus: "Es gibt keine Systemkritik, keine Ursachenforschung. Die Auseinandersetzung bleibt auf einer moralischen Ebene stehen. Probleme dominieren, Afrika ist Bittsteller, Europa edler Spender", kritisiert er im Gespräch mit Südwind.
Stereotype und Vorurteile über Afrika werden den Analysen zufolge nicht mehr direkt, sondern subtil vermittelt. Unbewusst entstehen dadurch Bilder im Kopf. "Lehrer wie Schüler schreiben diese dann den ‚Anderen' zu", sagt Esther Maria Kürmayr, Sozialarbeiterin und Obfrau der "Schwarze Frauen Community" (SFC). Das Resultat: Kinder und Jugendliche aus der Afrika-Community würden in der Schule oft als wild und bedürftig bezeichnet. "Das ist gefährlich. Sie verinnerlichen das herrschende Bild, wenn es keine Gegenkraft gibt." Mit Theaterprojekten, Literatur oder Tanz die Persönlichkeiten dieser Kinder zu stärken, sei daher die wichtigste Aufgabe von SFC, betont Kürmayr.
Und wie kann im Unterricht selbst gegen diese Bilder vorgegangen werden? LehrerInnen wie SchülerInnen müssten lernen, Schulbücher nicht als der Weisheit letzten Schluss zu sehen, sondern als Quellen, die kritisch hinterfragt werden müssen, schreiben die Studienautorinnen Markom und Weinhäupl.
Eine weitere Chance für Verbesserungen bietet der Lehrplan, der in Zukunft verstärkt Globales Lernen berücksichtigen wird. Dieses Unterrichtsprinzip streicht die Gemeinsamkeiten, nicht die Unterschiede von Menschen heraus. Und es stellt den Alltag in unterschiedlichen Kulturen in den Vordergrund: Wie die Menschen in verschiedenen Ländern mit Problemen umgehen, wie sie diese lösen und wie sie Politik mitgestalten. Allerdings liegt auch hier der Ball vor allem bei den LehrerInnen. "Die Lehrpläne geben generell nur den Rahmen vor, was durchzunehmen ist. Alles oder auch nichts ist möglich", gibt eine AHS-Geschichtslehrerin gegenüber Südwind zu bedenken: "Einerseits gibt uns der Lehrplan viel Freiraum, andererseits kommt es auf uns an, was im Unterricht gelernt wird. Im aktuellen Lehrplan für Geschichte zum Beispiel wird Afrika nur einmal – ganz nebenbei – beim Namen genannt."
Dennoch: Viele Unterrichtende sind an Afrika interessiert. Pro Jahr besuchen rund 500 LehrerInnen die Wiener Bibliothek von Baobab, der Bildungs- und Schulstelle für Globales Lernen, um sich Bücher, Broschüren oder DVDs dazu auszuborgen. Bis zu 3.000 Materialien werden im Jahr österreichweit an Lehrende verschickt.
Allerdings bedarf es mehr als nur der Initiative einzelner Lehrkräfte. Will man ein flächendeckendes Angebot an Materialien bereitstellen, führt kein Weg an Schulbüchern vorbei. Damit sich diese vom europäischen Blick lösen, müssten zuerst festgefahrene Strukturen aufbrechen, sagt SFC-Obfrau Kürmayr. Das heißt: Vielfalt und Verschiedenheit schaffen – im Unterrichtsministerium ebenso wie unter SchulbuchautorInnen, AusbildnerInnen und LehrerInnen. "Nur wenn es auch an diesen Schaltstellen Diversität gibt, kann die gelebte Realität der europäischen wie afrikanischen Gesellschaften vermittelt werden", betont sie. "Bleibt diese Chance ungenutzt, geht das Potenzial, gegenseitiges Verständnis zu fördern, verloren."
Die Autorin ist Historikerin und freie Journalistin. Sie lebt in Steyr und Wien.
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