Von Elvis, Dylan und dem Mann mit der Drehleier
Da ist sie wieder, die gewohnt penetrante Beschallung. Nämlich dort, wohin wir uns entweder versehentlich oder unter Zwang begeben haben. Nicht nur in Kaufhäusern und Shoppingcentern, auch in anderen öffentlichen Räumen wie Weihnachtsmärkten wird neben penetrantem Punschgeruch oftmals auch musikalische Weihnachtsbenebelung wahrgenommen. Weil wir sonst keine Probleme haben, sollen wir kaufen. Außerdem bricht alles zusammen, wenn wir jetzt nichts kaufen. Um entsprechende Anreize zu schaffen, ist jedes Mittel recht, Leichenfledderei sowieso. Längst Verblichene können sich nicht wehren, wie zum Beispiel Elvis. Von dem gibt es jetzt ein Album mit dem an sich nicht unschönen Titel „If I Can Dream“. 14 bekannte Nummern, neu eingespielt vom Royal Philharmonic Orchestra. Wie sich unschwer denken lässt, ist das Resultat eher ein schmalziger Alptraum.
Never Ending Tour. Bob Dylan wiederum befindet sich nach wie vor auf seiner Never Ending Tour und braucht bestimmt kein Geld. Dass es ständig eine weitere Ausgabe der Bootleg-Serie gibt, muss andere Gründe haben. Nun ist die streng limitierte Ausgabe (5.000 Stück) von „The Cutting Edge 1965–1966“ erschienen. Alternative Versionen, Outtakes und mehr auf 18 CDs, erhältlich auf Dylans Website um wohlfeile 600 US-Dollar. Weil es sich musikalisch aber wohl doch eher um einen Leckerbissen handelt, sei verraten, dass auch abgespeckte und preisgünstigere Varianten erhältlich sind.
Beseelte Musik. Wenn es stimmt, dass nicht immer die Lauten stark sind, trifft das auf alle Fälle auf Matthias Loibner zu. Der Steirer ist seit Jahren einer der weltweit führenden Drehleierspieler. Er hat im Laufe der Zeit genreübergreifend mit vielen ausgezeichneten heimischen und internationalen MusikerInnen gearbeitet. Alleine letzten Sommer waren es 15 verschiedene Projekte in mehreren Ländern. Angefangen hat er mit der legendären Gruppe Deishovida, einem frühen Aushängeschild der Neuen Volksmusik. Eine besonders fruchtbare Zusammenarbeit besteht seit langem mit der seelenverwandten Sängerin Natas˘a Mirkovic´-De Ro. Zu hören etwa auf der CD „Ajvar & Sterz“, mit Bearbeitungen bosnischer, serbischer, albanischer, mazedonischer und sephardischer Lieder, sowie mit dem „Leiermann“ aus Schuberts Winterreise.
Neues Solowerk. Loibners soeben erschienene Solo-CD „Lichtungen“ (Traumton) wurde in einer abgelegenen kleinen Kirche in der Nähe von Deutschlandsberg aufgenommen. Es befinden sich darauf Bilder, die ihn bewegen. Wirkliche Bilder, keine ausgedachten. Staunbilder sind es. Beseelte Musik im wahrsten Sinne des Wortes, durchaus auch mit Ecken und Kanten. Das bringt der Klang der Drehleier ja so mit sich. Diese wunderbaren Musikstücke kommen Weihnachten wohl am Nächsten.
Werner Leiss ist Musikkritiker des Südwind-Magazins und Redakteur des „Concerto“, Österreichs Musikmagazin für Jazz, Blues und Worldmusic.
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