Mohammed Hanif
Roman. Aus dem Englischen von Ursula Gräfe. A1 Verlag, München 2012, 272 Seiten, EUR 20,50
Schon für seinen ersten, 2008 erschienenen Roman „Eine Kiste explodierender Mangos“ erhielt der pakistanische Autor Mohammed Hanif wegen der außerordentlichen literarischen Qualität und erzählerischen Opulenz zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Stand in diesem Buch noch der Flugzeugabsturz mit dem Staatspräsidenten an Bord im Zentrum der Handlung – Hanif war selbst Pilot der pakistanischen Luftwaffe –, so spielt sein zweiter Roman in einem Krankenhaus. Genauer gesagt im Herz Jesu-Krankenhaus in Karachi, der Wirtschafts- und Kulturmetropole des Landes mit etwa 15 Millionen EinwohnerInnen.
Mehr als ein Spital ist es jedoch ein Narrenhaus, eine chaotische Anstalt, dessen Insassen einschließlich dem Ärzteteam der Psychiatrie entsprungen zu sein scheinen. Allein die Protagonistin Alice Bhatti, die eine Stelle als Hilfskrankenschwester bekommen hat, macht einen einigermaßen normalen Eindruck.
Witzig und bissig, todernst und sarkastisch nimmt Mohammed Hanif die Missstände seiner Heimat auf die literarische Schaufel: die Korruption, die allgemeine Gewalt, die im Polizeiapparat einen besonders fruchtbaren Humus findet, Fanatismus, die autoritären patriarchalen Strukturen. Eine Handlungsschiene rund um die junge Hilfskrankenschwester, die vor ihrer Anstellung wegen Totschlags einige Zeit in einer Besserungsanstalt verbrachte, thematisiert die religiöse Intoleranz. Alice ist Christin und gehört außerdem einer niederen Kaste an – und als Frau aus ärmlichsten Verhältnissen ist sie noch ein drittes oder viertes Mal benachteiligt.
Ein ungemein spannender, witziger, brutaler, temporeich geschriebener Roman, der die schändlichen Ungerechtigkeiten und Verlogenheiten der patriarchal-muslimisch geprägten pakistanischen Gesellschaft brillant und treffsicher offenlegt. Überhaupt kommen die Herren der Schöpfung nicht besonders gut weg in diesem Roman, während die weiblichen Hauptpersonen mit spürbarem Einfühlungsvermögen und mit Sympathie gezeichnet sind. Ein Autor, der süchtig macht!
Werner Hörtner
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