Verlag C.H. Beck, München, 2006, 220 Seiten, EUR 19,50
Viel ist geschrieben worden über den genuesischen Seefahrer, der bis zu seinem Tod glaubte, den westlichen Seeweg nach Asien entdeckt zu haben. Der Dekan des historischen Instituts an der Universität Wien, der schon Standardwerke über Karl V. und dessen Bruder und Nachfolger Kaiser Ferdinand I. vorgelegt hat, nimmt das 500. Todesjahr des Entdeckers zum Anlass, um den politischen und wirtschaftlichen Kontext der gewagten Reise zu untersuchen. Kolumbus, eigentlich Cristoforo Colombo (in Spanien und Lateinamerika: Cristóbal Colón), wollte sein Projekt bekanntlich zuerst dem portugiesischen König schmackhaft machen. Portugal war damals die führende Seemacht und hatte sich entlang der afrikanischen Westküste weiter vorangetastet als jede andere europäische Macht. Eine einflussreiche genuesische Kolonie in Lissabon und die Ehe mit einer portugiesischen Adeligen waren für die Kontakte zum Hof nützlich. Doch König João II. glaubte nicht an die Berechnungen des ehrgeizigen Abenteurers. Zu Recht, den Kolumbus, der sich auf Karten verschiedener Jahrhunderte und Kulturen stützte, hatte den Erdumfang als viel zu gering angenommen.
Kohler untersucht auch, warum die arabischen und chinesischen Seefahrer, die jedenfalls über die astronomischen Kenntnisse und entsprechend ausgerüstete Schiffe verfügten, den „Zwischenkontinent“ nicht schon früher entdeckt hatten. Während der Ming Dynastie verzichtete das Reich der Mitte auf Expansion zur See und konzentrierte sich auf die Konsolidierung im Inneren.
Kohler lässt zwar den packenden Stil vermissen, mit dem manche Historiker aus ihren Forschungsarbeiten Bestseller machen, doch wird das Buch weit über das Kolumbus-Jahr hinaus eine wichtige Quelle für die Zeit der Entdeckungsreisen sein.