Afrikas eigene Bilder

Von Werner Hörtner · · 1999/01

Gibt es einen „afrikanischen Blick“, der in der Fotografie des schwarzen Kontinents seinen Ausdruck findet? Das SÜDWIND-Magazin besuchte die gesamtafrikanische Foto-Biennale in Mali, um auf diese Frage eine Antwort zu finden.

Das Bild Afrikas wurde lange von Europäern geprägt, und teilweise heute noch. Waren früher die Fotos der Kolonialherren darauf ausgerichtet, ein Abbild des Primitiven, des Wilden wiederzugeben, um ihre „zivilisatorische Mission“ zu rechtfertigen – oder wollten sie bestenfalls in romantischer Bewunderung den „schönen Wilden“ in seiner natürlichen Unbefangenheit zeigen -, so sind heute die Katastrophenfotos en vogue. Die internationalen Fotoagenturen fliegen ihre Leute im Helikopter in die Flüchtlingslager oder Hungergebiete ein und verbreiten dann deren Fotos mit saftigem Gewinn rund um die Welt. Gewalt, Krieg, Katastrophen waren die großen Abwesenden bei den dritten „Rencontres de la Photographie Africaine“, der gesamtafrikanischen Foto-Biennale, die vom 7. bis 13. Dezember in der Hauptstadt des westafrikanischen Sahara-Landes Mali abgehalten wurde – ein Ausdruck davon, wie sich die afrikanischen Fotografen selbst sehen, so einer der südafrikanischen Künstler.

Heuer waren bei dieser vom Kulturministerium Malis gemeinsam mit der afrikanisch-französischen Agentur Afrique en Créations – mit finanzieller Unterstützung von EU und dem Entwicklungsministerium Frankreichs – veranstalteten Schau Beispiele aus fast allen afrikanischen Staaten zu sehen, vom Maghreb bis Südafrika, von Kenia bis Senegal.

Die Foto-Schau von Mali erfuhr diesmal überraschendes Medienecho: An die zwanzig JournalistInnen aus aller Welt, u.a. von Newsweek, Financial Times, Le Monde, Geo, hatten sich eingefunden, um für Druckmedien, Rundfunk und Fernsehen von dem Kunstereignis zu berichten.

Gibt es einen „afrikanischen Blick“, der in der Fotografie dieses von der globalen Kulturindustrie – bis vor kurzem zumindest – so unterbelichteten Kontinents seinen Ausdruck findet? Diese naive oder rhetorische Frage, die den unbefangenen Beobachter dennoch immer wieder auf dem Gang durch die Ausstellungssäle überfällt, ist nicht klar zu beantworten.

„Ja taa“, das Bild nehmen, ist in Bambara, der Sprache des Mehrheitsvolkes von Mali, ein Ausdruck für fotografieren. Er beschreibt wohl am prägnantesten den Grundzug der Fotokunst Afrikas.

Ob im geschlossenen oder im offenen Raum, im Studio oder in den Städten und weitläufigen Landschaften des Kontinents: Im Mittelpunkt des Fotoschaffens steht das Bestreben, mittels der Kamera ein Bild von sich selbst festzuhalten, wobei dieses Selbst die Grenzen der Person überschreitet.

„Das Bild einfangen ist ein Konzept, das den fotografischen Akt nicht auf eine technisch-künstlerische Geste beschränkt, sondern ihn durch eine Idee, einen Traum, ein Ideal verlängert“, so charakterisiert der französische Ausstellungskurator Louis Mesplé ein grundlegendes Merkmal afrikanischer Fotografie. Sie ist noch nicht ästhetisiert, ist noch keine Kunstform.

Die afrikanische Fotografie entstand erst relativ spät als Ausdruck eigenen Bewußtseins oder eigener Bewußtseinsfindung. Und dann war jahrzehntelang die Studio- und Porträtfotografie bestimmend. Wichtige Lebensereignisse, Gedenktage, Familienfeste u.ä. wurden mit der Kamera für die Nachwelt festgehalten.

Einer der Meister dieser Richtung ist der heute 75jährige Seidou Keďta aus Mali, der Doyen der afrikanischen Porträtfotografie. Er, der als einer der wenigen afrikanischen FotokünstlerInnen internationale Anerkennung gewonnen hat, begleitete diesmal die Schau als aufmerksamer Beobachter. Auf die Frage, was für ihn ein gutes Foto ausmacht, antwortet Keďta: „Ein gelungenes Foto muß die dargestellte Person verschönern – das habe ich zumindest immer versucht, und das bedeutet für mich Kunst.“

Die Entkolonialisierungswelle ab Ende der fünfziger Jahre schlug sich auch in der afrikanischen Fotografie nieder. Die Kamera verläßt nun das Studio, dokumentiert die neuen Freiheiten, sei es der Abzug der Kolonialherren oder das neue Lebensgefühl, das sich in Straßenfesten, in Tanzparties, in heiterer Geselligkeit äußert.

Aus Ghana, das auf der Biennale in Bamako mit einer Sonderschau vertreten war, wurde eine fotografische Chronik des Unabhängigkeitsprozesses gezeigt, die damals, 1957, in der Tageszeitung „Daily Graphic“ erschienen war.

Die zahlreichen auch persönlich anwesenden Fotografen aus Südafrika dokumentieren die politischen und gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in diesem Land, doch nicht mehr als Anklage des rassistischen Unrechtsystems wie zu Zeiten des Apartheid-Regimes, sondern als stark persönlich geprägte Erfahrung des Wandels.

„Die physischen, politischen, psychologischen Veränderungen haben die engagierten Fotografen zu einem mehr persönlichen, verinnerlichten Zugang zur Fotografie geführt“, meint Peter McKenzie, Lehrer an einer Journalistenschule in Johannesburg, „eine Innensicht, die eine neue nationale Identität sucht und dem Traum von einer afrikanischen Renaissance folgt.“

Die dritte Foto-Biennale von Bamako, an der heuer erstmals auch die nordafrikanischen Staaten teilnahmen, hat ihren Wert als langfristig angelegtes Unterfangen, die afrikanische Fotografie in das ihr zustehende internationale Rampenlicht zu rücken, bestätigt und bekräftigt. Die große Medienpräsenz der Schau, die an mehreren Ausstellungsorten in Bamako – dem Palais de la Culture, dem Französischen Kulturinstitut, dem Nationalmuseum und dem „Muso Kunda“, dem Frauenmuseum – gezeigt wurde, unterstreicht, daß dieses afrikanische kulturelle Großereignis am besten Weg ist, auch auf globaler Ebene zu einer geachteten ständigen Kunsteinrichtung zu werden.

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