Film
Doku, Gudrun F. Widlok & Rouven Rech, DVD (2013), 87 Min.
Gisela, Thelma und Ludger lassen sich von Familien in Ghana adoptieren. Symbolisch. Gisela ist pensionierte Lehrerin in Mecklenburg, die vor kurzem ihren Mann verloren hat. Thelma eine isländische Studentin in Berlin, Ludger Schauspieler in Bremen und Berlin. Gemeinsam ist ihnen der Wunsch, von einer anderen Kultur aufgenommen zu werden, von der sie sich Gemeinschaft, Lebensfreude, familiären Zusammenhalt erwarten. Ihren „Adoptiveltern“ wiederum gefällt die Idee, einer Person aus einer anderen Kultur die Werte und den Reichtum des Lebens in Ghana zu vermitteln.
„Adopted“ begann als Idee der deutschen Künstlerin Gudrun F. Widlok. In Ausstellungsräumen in Deutschland, Österreich und später Burkina Faso und Ghana errichtete sie ein fiktives Adoptionsbüro, das erwachsene EuropäerInnen an afrikanische Familien vermittelte. Ein Spiel mit Stereotypen und der Umkehr von Rollen zwischen Süd und Nord. Die Resonanz war groß, aus Fiktion wurde Realität. In Zusammenarbeit mit Partnern in Burkina Faso und Ghana vermittelte Widlok Kontakte und Begegnungen. Daraus entstand ein dokumentarischer Film von ihr und Rouven Rech.
„Adopted“ ist teils gelungen, teils nicht. Da gibt es Momente voll Ironie, etwa wenn die Neuankömmlinge im Schoß der afrikanischen Familie abends – anders, als in so mancher klischeehaften Vorstellung – in recht bürgerlichen, urbanen Wohnlandschaften sitzen und in den Fernseher schauen. Oder wenn Thelma, mürbe von stundenlangen Gottesdiensten, ihrem ghanaischen Bruder erklärt, dass sie nicht an den christlichen Gott, sondern an die Natur glaube.
Der Film ist dicht, klug, witzig, und an manchen Stellen auch traurig. Aber er erzählt nicht immer die ganze Geschichte: So verlässt Gisela ihre Familie am Ende fluchtartig. Warum, ist nicht klar. SeherInnen erahnen bestenfalls, was schief lief. Hat das plötzliche Ende damit zu tun, dass ihre Gastfamilie von Anfang an versuchte, die Rentnerin Gisela mit dem verwitweten Großvater zu verkuppeln?
Auch das Ausmaß an Inszeniertheit bleibt intransparent. Warum wird Ludger von einem Schauspieler gespielt? Wie kamen die Dialoge zwischen ihm und seiner Gastfamilie zustande? Als Künstlerin interessiert sich Widlok für die Auflösung der Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Schade, dass sie im Fall von „Adopted“ im Begleitmaterial zur DVD und in Interviews nicht mehr aufklärt. Denn gerade die Konstruktion der Realität in der Filmgeschichte ist interessant.
Martina Kopf
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