Zwei bis drei Millionen SimbabwerInnen leben in Südafrika, viele illegal. Die südafrikanische Regierung will nun die Papiere aller AusländerInnen in Ordnung bringen, sonst droht die Abschiebung.
Johannesburg. Nkosikhona Dube klickt enttäuscht auf die Maus und schließt das Internet. „In Bearbeitung“, stöhnt der junge Simbabwer. So lautet der Status seines Antrages auf einen simbabwischen Pass. Mike, so nennt Nkosikhona sich gern, hat in der Johannesburger Innenstadt in einem Internetcafé auf die Webseite des simbabwischen Konsulates geschaut. „Nichts, seit sechs Monaten.“ In die lange Warteschlange vor dem Gebäude der südafrikanischen Einwanderungsbehörde um die Ecke will er sich nicht einreihen: „Die wissen nichts und sind unfreundlich gegenüber Ausländern.“ Der 23-jährige junge Mann aus Bulawayo wartet auf Nachricht, ob er nun legal in Südafrika leben kann.
Das südafrikanische Innenministerium hatte im vergangenen September eine Kampagne mit dem Ziel gestartet, im Land lebende SimbabwerInnen mit einer legalen Aufenthaltsgenehmigung auszustatten. Dieser Prozess läuft noch, aber die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Bis Ende Juni sollen alle Anträge bearbeitet sein. Wer abgelehnt wird, kann innerhalb von zehn Tagen Berufung einlegen. Ab 1. August droht dann die Abschiebung: Wer als Illegale/r in Südafrika erwischt wird, muss gehen.
Seit dem politischen und wirtschaftlichen Zerfall des Nachbarlandes leben zwischen zwei und drei Millionen SimbabwerInnen in Südafrika, viele illegal. Bei SüdafrikanerInnen sind sie – wie alle anderen afrikanischen MigrantInnen – nicht sehr beliebt. Sie nehmen angeblich den Einheimischen Jobs weg und belasten das Sozialsystem. Für die SimbabwerInnen jedoch bedeutet der Aufenthalt im Nachbarland Überleben und die Hoffnung, eines Tages mit etwas Erspartem in ihre Heimat zurückzukehren.
Mike war die Angst leid, von der südafrikanischen Polizei aufgegriffen zu werden, ohne simbabwischen Pass und ohne Aufenthaltsgenehmigung für Südafrika. Stattdessen „kaufte“ sich Mike – wie viele andere auch – gültige südafrikanische Papiere. „Das war ganz einfach“, sagt er. „Ich habe bei der Behörde gefragt, ob mir jemand helfen kann, und der Angestellte hat einen Preis genannt.“ So erhielt Mike für umgerechnet rund 300 Euro die südafrikanische Aufenthaltsgenehmigung. Er hat sich trotzdem entschlossen, diese Papiere einzureichen, um einen simbabwischen Pass und dann legalen Aufenthalt in Südafrika zu erhalten. Denn Innenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma hatte auch denen Amnestie versprochen, die illegal einen südafrikanischen Pass oder Aufenthaltspapiere erworben haben. Leute wie Mike. Sie mussten ihre gefälschten Dokumente abgeben und sollen nicht bestraft werden. Nun wartet Mike auf seinen simbabwischen Pass. Die südafrikanischen Behörden schickten seinen Antrag nach Simbabwe. Wird er genehmigt, bearbeitet Südafrika die Unterlagen weiter.
Mikes Freund Lovemore Chiyago verkauft Tiere aus Perlendraht am Straßenrand. Er ärgert sich: Es gebe Landsleute, die nach ihm ihre Papiere eingereicht hätten, aber bereits die Aufenthaltserlaubnis in den Händen hielten. „Die haben eben einiges Geld hinübergeschoben“, glaubt der Mittdreißiger aus dem ländlichen Bindura in Simbabwe. Er zeigt eine SMS auf seinem Handy – die Bestätigung für die Einreichung seines Antrags. Das war am 13. Oktober 2010. „Polizisten machen gerne Sprachtests“, berichtet Mike aus seinem Alltag. „Ich kann zwar Zulu, die in Südafrika meistgesprochene Sprache, aber wenn sie andere Sprachen abfragen, fliege ich auf.“ Das ist mehrfach passiert. Zudem schaut die Pocken-Impfnarbe am Oberarm bei SimbabwerInnen anders aus als bei SüdafrikanerInnen, das ist ein weiteres Erkennungsmerkmal. Mike wurde öfters ins Deportationslager Lindela abgeschoben.
Der Strom illegaler MigrantInnen, die regelmäßig zwischen den beiden Ländern verkehren, ist groß. Schmiergelder bringen sie überallhin, meistens in Minibussen nach Johannesburg. Auch Mike kam so über die Grenze. Wie die meisten SimbabwerInnen hat er Familie zuhause, Eltern und drei Geschwister, die er seit fünf Jahren von Südafrika aus ernähren muss. Er findet manchmal Jobs auf dem Bau. „Der Druck ist groß. Ich kann mir gar keine Frau nehmen, denn dann reicht es nicht mehr für die Unterstützung der Familie in Simbabwe.“ Jeden Monat schickt Mike umgerechnet etwa 150 Euro nach Bulawayo. Jetzt ist sein Vater krank, von Mike wird Geld für die Behandlung erwartet.
Wie Mike kommen viele vom Land und haben in ihrer Heimat nie einen Pass beantragt, der ungefähr 70 Euro kostet und mit langen Anfahrtswegen zu den Behörden verbunden ist. Sie reisen illegal nach Südafrika. Oder nutzen die vor einiger Zeit erleichterten Bedingungen dafür, sich 90 Tage in Südafrika aufhalten zu dürfen. Lovemore hat eine solche vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung. Spätestens alle 90 Tage reist er wieder über die Grenze, um die Aufenthaltsgenehmigung zu erneuern. „Ich fahre nach China“, sagt er dann lachend und meint Simbabwe, in dem viele asiatische Firmen investieren.
„Die südafrikanische Polizei macht gern Jagd auf Ausländer“, sagt Mike. Er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Bisher hat das Ministerium nach offiziellen Angaben 275.000 Anträge erhalten. Davon brauchen etwa 100.000 Menschen erst einen Pass, um einen Aufenthalt in Südafrika erhalten zu können. Auch Eigentum, das mit falschen Dokumenten erstanden wurde, kann legalisiert werden.
Unabhängige MigrantInnenorganisationen kritisieren jedoch die Vorgehensweise des Innenministeriums: Behörden hätten unterschiedliche Anforderungen, meint Kaajal Ramjathan-Keogh, Vorsitzender des Konsortiums für Flüchtlinge und MigrantInnen in Südafrika. Loren Landau, Direktor des Afrikanischen Zentrums für Migration und Gesellschaft (ACMS), glaubt, dass nur ein Teil der Antragsteller auch eine Arbeits- oder Geschäftsgenehmigung erhalten werden.
Das ACMS bezweifelt die guten Absichten der südafrikanischen Regierung. „Es scheint sich eher um ein kosmetisches Verfahren zu handeln, um neue Verhaftungen und Abschiebungen zu rechtfertigen“, sagt der Mitarbeiter Roni Amit. Der in Südafrika arbeitende simbabwische Menschenrechtsanwalt Gabriel Shuma erklärt, die südafrikanische Polizei dürfe niemanden verhaften oder abschieben, während das Bearbeitungsverfahren laufe. Aber die Realität sieht oft anders aus.
Lovemore und Mike bleibt nichts anderes übrig, als die Entwicklung abzuwarten. „Die Papiere sind für mich wichtig, ich kann sonst kein Bankkonto eröffnen und lebe ständig in Sorge“, sagt Lovemore. Er will später – wie fast alle seiner Landsleute – auf jeden Fall zurück in die Heimat. Das Haus für die Familie ist fast fertig, es fehlt nur noch das Dach.
Martina Schwikowski ist Korrespondentin der Berliner „tageszeitung“ für das südliche Afrika und lebt in Johannesburg.
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