Marjams Geschichten

Von Michaela Krimmer · · 2010/10

Alawiyya Sobh

Roman. Aus dem Arabischen von Leila Chammaa. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, 474 Seiten, € 35,-

Ich habe mich gefreut auf dieses Buch. Geschichten über das Leben von Frauen im Libanon. Da weiß man zwar schon vorher, dass es durchaus um Trauer, Krieg, Schmerz und Unterdrückung gehen kann. Aber man hofft auch, von Familienzusammenhalt und liebevollen Details zu lesen. Man denkt sich, vielleicht wird es bunt und lebendig wie bei dem syrischen Autor Rafik Schami. Doch dem ist nicht so.

Beziehung, Liebe, Sex, jedes Zusammentreffen einer Frau mit einem Mann scheint im Libanon von Missbrauch, Erniedrigung und Gewalt gekennzeichnet zu sein. Man wartet beim Lesen auf einen Hoffnungsschimmer, schlussendlich liest man nur noch, um wenigstens einmal etwas Positives zu lesen. Was einen anfangs betroffen macht, zieht sich jedoch mit der Zeit in die Länge, wandelt sich in Wut, bis man resigniert das Buch weglegt. Den Missbrauch, den Frauen von ihren Vätern und Ehemännern erdulden müssen, geben sie unreflektiert an ihre Töchter weiter. Viele geben auf und ergeben sich ihrem Schicksal, das sie in aggressive Furien, seelenlose Schatten oder „Töchter Mohammeds“ verwandelt.

Das, was die Autorin Alawiyya Sobh in dieser Landschaft von Krieg, Unsicherheit und Gewalt am Leben hält, ist das Schreiben. Sobh, Libanesin und Chefredakteurin der arabischsprachigen Modezeitschrift Snob Hasna, schreibt als Marjam, die sich fragt, wo Alawiyya Sobh hin verschwunden ist. Diese hätte sich die ganzen Geschichten aus dem Viertel angehört, alle Leidensgeschichten der Frauen, klagt Marjam. Und plötzlich sei sie nicht mehr auffindbar, mit all den Geschichten verschwunden und das Buch, das sie angeblich publizieren hätte wollen, sei nicht erschienen. Lange kreist die Frage um das Verschwinden der Autorin selbst. Immer wieder fragt sich Marjam, bis sich auch die Geschichten anfangen zu wiederholen. Mit der Zeit will man als Leserin nicht mehr die Gemeinheiten hören, die sich die Menschen antun.

Ein „Schlachtengemälde des Nahen Osten“ wird das Buch im Klappentext genannt. Manchmal ist die Schlacht einfach zu heftig. Aber so ist der Libanon eben, zumindest in den Augen von Alawiyya Sobh.

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