Die ungewöhnliche Idee, Geschichte und Gegenwart der Menschheit am Beispiel eines 100-köpfigen Dorfes abzuhandeln und als Buch zu präsentieren, erweist sich als eine unerwartete Erfolgsgeschichte.
Bei einem in Innsbruck ansässigen Redaktionsteam ist es nahe liegend, dass das Ergebnis der Recherchen in einem Tiroler Verlag erscheint. Weniger nahe liegend ist, dass dieses Buch, das vom Institut für Management und Technologie an der Fachhochschule Kufstein – IMT Verlag – herausgegeben wurde, in einem Jahr bereits die dritte Auflage erlebt (siehe Buchbesprechung auf Seite 38). Die beiden an der Innsbrucker Universität unterrichtenden Wirschaftswissenschaftler Josef Nussbaumer und Andreas Exenberger sowie Stefan Neuner, von dem die zahlreichen Grafiken und Schaubilder des Buches stammen, hatten einen derartigen Erfolg nie erwartet. Und das, obwohl der marktführende Versandriese Amazon das kleine Buch aus Kufstein boykottiert.
Josef Nussbaumer aus dem oberösterreichischen Salzkammergut, schon lange in Innsbruck ansässig und lehrend, Autor mehrerer Bücher, u.a. zu Verteilungsgerechtigkeit, Hungerkatastrophen und Menschenhandel, kann sich diesen Erfolg selbst nicht so richtig erklären: „Über den Erfolg oder Nichterfolg eines Buches – im Sinn der Auflage – entscheiden immer die Buchkäufer und -käuferinnen. In der Tat hatten wir, d.h. der Verlag und die Autoren, nicht damit gerechnet, dass so viele Bücher so schnell weggehen.“
Wenn man im Internet bei Amazon unter dem Buchtitel nachschaut, stößt man permanent auf dieselbe Standardmeldung: „Derzeit nicht verfügbar. Ob und wann dieser Artikel wieder vorrätig sein wird, ist unbekannt.“ Wieso ignoriert dieser weltgrößte Internetanbieter im Verlagswesen das „kleine Dorf“? Nussbaumer: „Diese Meldung stimmt in keinster Weise, da das Buch immer verfügbar und auch vorrätig war, nur eben nicht bei Amazon. Der Grund dafür: Amazon verlangt vom Kleinverlag etwa 60% des Verkaufspreises, das würde bedeuten, dass der Verlag pro bei Amazon verkauftem Buch einen Verlust von zwei Euro machen würde.“
Ein Rezensent hat über das Buch geschrieben, es sei „das richtige Buch für alle im Bildungsbereich – vom Kindergärtner bis zur Universitätsprofessorin – und für alle an der Welt Interessierten.“ Offenbar trifft diese Definition zu. Die erste Auflage des Buches war schnell vergriffen, die zweite ebenfalls, mittlerweile ist schon die dritte Auflage da: Weshalb wohl dieses große Interesse? „Ich fürchte, ich kann diese schwierige Frage nicht beantworten“, meint Josef Nussbaumer bescheiden. „Nachdem aber die Reaktionen, auch die der Rezensenten, großteils sehr positiv ausgefallen sind, glaube ich schon, dass wir da einen Nerv bei den Leserinnen und Lesern getroffen haben, der dazu anregt, über unsere Welt mehr und vielleicht sogar intensiver nachzudenken.“
Co-Autor Andreas Exenberger aus Kufstein ist ebenfalls Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Innsbruck und Mitglied des Arbeitskreises Globales Lernen Tirol. Er erläutert die Entstehungsgeschichte des Buchprojekts: „Die Idee selbst ist schon an die 15 Jahre alt. Josef Nussbaumer hat damals angefangen, Material zu sammeln. Die Zeit verging, das Sammeln ging weiter, Weltarmut und Klimawandel wurden immer mehr zum öffentlichen Thema – und der engagierte Grafiker Stefan Neuner stieß dazu. Nach ein paar Anwendungen im kleineren Rahmen fiel dann um den Jahreswechsel 2007/08 irgendwann der Satz: ‚Wenn wir das jetzt nicht machen, dann machen wir das wahrscheinlich nie mehr.’
Als dann auch noch ein ehemaliger Dissertant von uns so begeistert von der Idee war, dass er eigens einen Verlag gegründet hat, um das Buch zu publizieren, gab es kein Halten mehr, und nach einem Jahr der intensiven Nachrecherche von noch aktuelleren, genaueren und fundierteren Daten und der vielen Versionen von Text und Grafik war die Sache fertig.“
Auf die Frage, ob man das Buch auch im Schulunterricht einsetzen könnte, meint Josef Nussbaumer: „In der Tat kann man das Buch auch als kleines Lehrbuch zum ‚Globalen Lernen’ verstehen; es bietet sich für Geographie, Geschichte, Wirtschaftskunde, politische Bildung, aber auch für den Ethik- und Religionsunterricht an. Herr Exenberger und ich sind auch schon in einige Schulen eingeladen worden.“
Die Brüche und Gefahren des bestehenden „Systems“ werden in dem Buch sehr anschaulich dargestellt. Doch gerade diese Anschaulichkeit drängt zum Handeln. Wäre es da nicht besser gewesen, auch Aktionsmöglichkeiten aufzuzeigen? Josef Nussbaumer: „Unser bescheidener Beitrag besteht darin, die Anzahl der Menschen, die über die Zustände im Dorf Globo nachdenken und diese verstehen wollen, zu vergrößern. Verstehen ist eine Grundbasis für das Handeln. Handeln ohne Wissen und Verstehen ist blinder Aktionismus, davon gibt es schon zu viel. Wir wiederum können und wollen niemandem sein oder ihr Handeln vorschreiben. Besser ist wohl, der eigenen Kreativität eine Chance zu geben.“
Übrigens: Die Tantiemen aus demVerkauf des Buches kommen zur Gänze humanitären Zwecken zu Gute, etwa der Hilfe für die Opfer der Erdbebenkatastrope von Haiti.
Mehr zum Buch auf www.unserkleinesdorf.com
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