Von Schafen, Lämmern und Hammeln

Von Gudrun Harrer · · 2000/06

Es ist erstaunlich, welchen Siegeszug in der hiesigen kulinarischen Landschaft das Lamm in den letzten Jahren zurückgelegt hat.

Fast nur noch Angehörige der älteren Generation, die sich mit Grauen an die Braten von an Altersschwäche verstorbenen Milch- und Wollschafen in der Nachkriegszeit erinnern, rümpfen die Nase. Solche Tiere heute in Österreich auf den Teller zu bekommen, ist beinahe schon ein Kunststück. In anderen Erdteilen gibt es sie noch: An mit stinkerten Hammel- oder Ziegenbockbröckchen – so erschien es mir jedenfalls – gefüllten Mantilar (Ravioli) bin ich als eingefleischte Schafliebhaberin jüngst in Kasachstan fast gescheitert. Aber, Leute, die Höflichkeit treibt’s runter.

Und heikel ist ohnehin nur der, der sich’s leisten kann. Wenn ich vom irakischen Nationalgericht Kuzi spreche – mit orientalischem Reis gefülltes, als Ganzes gebratenes Lamm – weiß ich, dass sich heute eine ärmere irakische Familie nach zehn Jahren UNO-Sanktionen mit minderwertigen Stücken von minderwertigen Tieren begnügen muss, und auch dieses Vergnügen gibt es vielleicht zweimal pro Monat.

Was ich bis vor kurzem nicht wusste ist, dass im Irak die Mehrzahl der zu verzehrenden Schafe gekocht wird – wie in Wien das Rindfleisch etwa -, die (möglichst entfettete) Suppe gibt es extra oder als Sauce mit dem unvermeidlichen Reis (es gibt ganz ausgezeichneten Reis im Irak). Ich könnte mir vorstellen, dass es bei dieser Zubereitungsart leichter ist, nicht mehr ganz so junge Tiere weich zu bekommen. Manchmal werden die gekochten Fleischstücke, bevor sie serviert werden, in Butter angebraten, aber da sprechen wir von der höheren Küche.

Aber wie gesagt, das Glanzstück der Lammküche in der ganzen Region ist das Kuzi: Es gibt verschiedene Zubereitungsarten, die komplizierteste, aber wohl originalste ist, das ein wenig vorgebratene Lamm auf Palmzweigen in einem großen Ofen – der mit Palmblättern und nassen Lehm verschlossen wird – über dem ebenfalls vorgegarten Reis aufzustellen, kopfabwärts, damit das Fett des Schwanzes über das ganze Tier und auf den Reis rinnen kann. Etwas sperrig für einen durchschnittlichen Haushalt. Durchwegs gebräuchlich ist die Zubereitungsart, bei der das Lamm auf dem Reisbett liegend gebraten wird, ein Teil vom Reis wird in die Bauchhöhle gefüllt. Am Golf, wo man gerne zeigt, dass man nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen ist, gibt es jene perversen Varianten, bei denen ins Lamm ein – gefülltes, versteht sich, womöglich noch mit harten Eiern – Huhn gestopft wird. Typisch neureich.

Gudrun Harrer ist Islamspezialistin, Feinschmeckerin und Leiterin des Ressorts Außenpolitik der Tageszeitung DER STANDARD

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