Zeit zu(m) Handeln

Von Ahmad Ibesh · ·
Symbolbild: Achtung-Zeichen, ein schwarzes Rufzeichen auf einem weißen Hintergrund auf einer gelben Wand
Symbolbild: Achtung-Zeichen; Foto © unsplash

Was ich über die Messerattacke in Villach denke und, wie es mir damit geht.

Entsetzlich! Am 16. Februar hat ein Syrer in Villach mehrere Passant:innen mit einem Messer angegriffen und einen Jungen getötet. „Hast du den Angreifer gekannt?“, fragten mich viele. Und nachdem ich verneinte, kam oft zurück: „Was für ein schreckliches Verbrechen!“, als ob sie mir erklären müssten, wie grausam das war, was er getan hat. In der Tat: Das ist mir voll und ganz bewusst und nein, ich habe keine Ahnung, was in einem Menschen vorgehen muss, um so etwas zu tun. Auch wenn er hundertmal aus dem gleichen Land kommt wie ich.
Österreicher:innen können ja auch nicht nachvollziehen, wie andere Österreicher:innen einen Mord begehen können, oder? Die Herkunft ist einer von vielen Faktoren, die einen Menschen ausmachen und das Volk, in dem alle gleich sind, ist wohl eine Erfindung nationalistischer Politiker:innen, die so tun, als ob der kleinste gemeinsame Nenner, alle zu den gleichen Menschen mache.

Klare Regeln müssen sein
Natürlich aber, spielen Lebensumstände eine gewisse Rolle und über manche entscheiden Politiker:innen sehr wohl. Zum Beispiel darüber, wie lange Menschen hier warten müssen, um Bescheid zu bekommen, ob sie sich in Österreich ein Leben aufbauen können oder nicht. Wer Straftaten begangen hat, sollte sicher nicht so lange hier herumsitzen.
Aber: Bis zu zwei Jahre lang bekommen viele keine Auskunft darüber, was geht oder nicht. Und sie haben nichts zu tun außer zu warten, ohne Geld, ohne Perspektive, ohne eine andere Möglichkeit sich zu beschäftigen. Sie schauen ins Handy.
Wenn sie wüssten, dass sie hier bleiben können, würden sie vielleicht damit beginnen Deutsch zu lernen und viele tun das auch. Einige wenige bleiben bei Videos von radikalen Influencer:innen hängen und radikalisieren sich. Manche, vor allem jene, die in den vergangenen zwei, drei Jahren gekommen sind, haben in Syrien viele Jahre Krieg erlebt und sind zum Teil traumatisiert.

Wir brauchen Schutz
Vor denen habe ich genauso Angst, wie alle anderen! Menschen, die radikalisiert sind, könnten mir oder meiner Frau genau dasselbe antun. Ich hoffe doch sehr, dass die Polizei uns vor diesen Menschen schützen kann, wie vor allen anderen, die Straftaten begehen, egal, woher sie kommen.Ich würde mir wünschen, dass jene, die gute Taten tun, auch Platz in der medialen Berichterstattung fänden. Immer wieder lese ich Erfolgsgeschichten von Österreicher:innen, die zum Beispiel in die USA gegangen sind und dort Karriere gemacht haben.
Wie viele Menschen, die hier sind, kamen aus dem Ausland und haben es geschafft hier in ihren Berufen erfolgreich zu werden? Viel seltener schaffen sie es mit ihren Geschichten in die hiesigen Medien, obwohl sie vermutlich viel mehr sind, als jene die auswandern. Selbst jener Syrer, der dem Messerstecher Einhalt geboten hat, schien nur wenigen der Rede wert gewesen zu sein. ENDMARKE


Ahmad Ibesh, 31, kommt aus Aleppo in Syrien. Als er in die Armee sollte, floh er in die Türkei und kam 2015 nach Österreich. Im Herbst 2024 hat der Schneider, mit Schwerpunkt Upcycling, sein Geschäft „Herzgenäht“ in Klagenfurt eröffnet.

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