Verzerrtes Afrikabild in Schulbüchern

Von Milena Österreicher · ·
Satellitenbild vom afrikanischen Kontinent, das verzerrt dargestellt wird

Eine aktuelle Analyse zeigt, wie manche Schulbücher in Österreich immer noch ein einseitiges Bild vom afrikanischen Kontinent zeichnen. Für ein realistisches und vielfältiges Bild Afrikas engagiert sich die Initiative AEWTASS.

Mit welchem Weltbild gehen wir durchs Leben? Viele Teile davon entstehen bereits in jungen Jahren – in der Schulzeit. Unsere Wahrnehmung wird schon früh durch ausgewählte Fotos und Illustrationen in Schulbüchern geprägt. Die Initiative AEWTASS (Advancing Equality within The Austrian School System) untersuchte nun, welches Afrikabild darin vermittelt wird.

Dazu analysierten zehn Wissenschaftler:innen 24 Schulbücher für Geografie, Geschichte und politische Bildung, die zwischen 2015 und 2023 veröffentlicht wurden und aktuell in Österreich im Unterricht zum Einsatz kommen. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Afrikanische Länder und ihre Einwohner:innen werden oft klischeebehaftet und einseitig dargestellt.

Positive Vorbilder abbilden

So kommen in einem Geschichtebuch insgesamt nur drei Bilder mit Schwarzen Menschen vor – und alle in einem negativen Kontext und in einer passiven Rolle: Unterernährte während des Herero-Aufstands in Namibia 1904 gegen die deutsche Kolonialmacht, Männer in sogenannten „Völkerschauen“ in Europa und eine versklavte Familie auf einer Baumwollplantage in den USA. Positive Vorbilder oder handelnde Persönlichkeiten aus Afrika sucht man vergeblich.

Begriffe wie „Mutterländer“, mit denen die europäischen Kolonialmächte bezeichnet werden, beschönigen die brutalen kolonialen Machtstrukturen und suggerieren eine fürsorgliche Beziehung. Afrikanische Länder werden als abhängig dargestellt. Problematische Begriffe wie „Farbige“, geprägt von der Apartheid, tauchen immer wieder auf.


Fehlende Perspektiven

Die Schulbücher untermauern zudem eine eurozentrische Sichtweise – die Weltgeschichte wird aus europäischer Sicht erzählt, andere Perspektiven finden sich kaum. Auf europäische Seefahrer und „Entdecker“ wird beispielsweise viel stärker eingegangen als auf bedeutende Persönlichkeiten und Expeditionen aus anderen Weltregionen, sie kommen kaum vor. So bleibt der marokkanische Gelehrte Ibn Battuta, der im 14. Jahrhundert fast die gesamte islamische Welt bereiste, unerwähnt. Auch über den chinesischen Admiral Zheng He, der im 15. Jahrhundert bis an die ostafrikanische Küste gelangte, erfahren Schüler:innen nichts in ihren Büchern.


Starker Einfluss auf Selbstbild

„In Österreich fehlt nach wie vor das Bewusstsein, wie problematisch und strukturell verzerrt die Darstellung des afrikanischen Kontinents und seiner Menschen ist“, sagt Aquea Lamptey, Projektleiterin von AEWTASS. Sie betont, dass alle Kinder ein Recht auf ein realistisches und vielfältiges Bild Afrikas haben. Besonders für Schwarze Kinder sei es wichtig, in ihrem Schulleben positive Beispiele und inspirierende Geschichten vom afrikanischen Kontinent zu entdecken. „Solche Darstellungen haben einen starken Einfluss auf das Selbstbild und die eigene Lebensrealität, etwa später im Berufsleben“, erklärt Lamptey.

Gertrude Öllinger, Marketingverantwortliche für den Programmbereich Deutsch und Geisteswissenschaften beim österreichischen Schulbuchverlag Veritas, zeigt sich offen für die Kritik. Bücher des Verlags wurden in der Schulbuchanalyse sowohl als positive als auch als negative Beispiele bewertet. Veritas habe bereits Workshops mit AEWTASS durchgeführt, um  das Bewusstsein der Mitarbeiter:innen zu schärfen.

Empfehlungen durch Studie

Die Anregungen der Studie seien wertvolle Impulse für zukünftige Lehrmaterialien. Empfohlen wird etwa die Einbindung vorkolonialer Schriftsysteme und afrikanischer Persönlichkeiten im antikolonialen Widerstand. Dabei wird auch die Darstellung Schwarzer Frauen vorgeschlagen: Aktivistinnen und Politikerinnen wie Hannah Kudjoe aus Ghana oder Bibi Titi Mohamed aus Tansania, die wesentlich zu den Freiheitsbestrebungen und dem Erfolg ihrer Parteien beitrugen.

Aufgrund der aufwendigen und langwierigen Zulassungsverfahren des Bildungsministeriums könnten bestehende Schulbücher allerdings nicht kurzfristig geändert werden. Bis diese aus dem Unterricht ausscheiden, liegt es an der Eigeninitiative der Lehrkräfte, das vorhandene Material kritisch zu hinterfragen und alternative Perspektiven in ihren Unterricht einzubringen.

Milena Österreicher ist Chefredakteurin des vierteljährlich erscheinenden MO-Magazins für Menschenrechte. Als freie Journalistin schreibt sie über Feminismus, Menschenrechte und Migration.

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