Fake News sind diplomatische Waffen

Von Bettina Rühl · ·

Der zentralafrikanische Journalist und Faktenchecker Fridolin Ngoulou über den gefährlichen und mühsamen Kampf gegen Lügengeschichten und Hasskampagnen.

Herr Ngoulou, was hat Sie dazu bewogen, das gemeinnützige Medienunternehmen Oubangui Médias zu gründen?

Angefangen hat das 2017. Damals ist uns bewusst geworden, dass Desinformationen drastisch zugenommen haben, vor allem online. Wir haben uns gesagt, dass wir angesichts dieser Realität nicht die Hände in den Schoß legen dürfen. Ich hatte die Idee, einen Verein von Blogger:innen zu gründen, die sich vor allem mit der Aufklärung von Fake News beschäftigen. Das haben wir gemacht, aber mir reichte das noch nicht, denn ihr Ausmaß hat mich damals schon sehr beunruhigt.

War Desinformation denn 2017 ein ganz neues Phänomen?

Nein, früher gab es so etwas auch schon, aber nur in Zeiten des Wahlkampfes. In dieser Zeit haben die Kandidat:innen über einander Lügen verbreitet, um die eigenen Chancen zu verbessern.

Was hat sich seither verändert?

Seit Russland in der Zentralafrikanischen Republik präsent ist, werden Fake News als diplomatische Waffen eingesetzt. Russland verbreitet systematisch falsche Informationen, die anderen Mächte schlagen mit ähnlichen Mitteln zurück. Wir wollen die Bevölkerung über verschiedene Kanäle dafür sensibilisieren, dass es Desinformationskampagnen gibt. Und wir wollen auch Laien darüber aufklären, wie man falsche Informationen erkennt und dagegen kämpfen kann, auch auf der Ebene der eigenen Gemeinschaft.

Beschäftigt sich Oubangui Médias ausschließlich mit dem Kampf gegen Desinformation?

Wir haben zwei redaktionelle Säulen, die zweite ist das Thema Umwelt- und Klimaschutz.

Wie erreichen Sie die Bevölkerung?

Über möglichst viele Kanäle. Wir veröffentlichen online auf unserer Internetseite, wir nutzen die Sozialen Netzwerke und haben dort eigene Auftritte, und wir gehen über Messengerdienste wie Whats-App. Darüber hinaus haben wir eine gedruckte Zeitung, die montags, mittwochs und freitags erscheint.

Wie finanziert sich Ihr Unternehmen?

Bei uns in der Zentralafrikanischen Republik ist es sehr schwierig, Medienkooperationen zu gewinnen, die bei der Finanzierung helfen. Deshalb sind wir ein gemeinnütziges und gemeinschaftliches Medienunternehmen, ein „radio communautaire“. Nur wenn man diesen Status hat, kann man ein wenig von Zuwendungen aus ausländischen Kooperationen profitieren, also von internationalen Organisationen wie der gemeinnützige Schweizer Organisation Fondation Hirondelle, der US-amerikanischen NGO Internews und anderen, die Medien im Globalen Süden unterstützen. Außerdem leben wir von Werbung, Abonnements und Bekanntmachungen internationaler Organisationen. Wir bewerben uns natürlich auch immer wieder für Projekte, die von der Europäischen Union oder der Botschaft der USA bezahlt werden.

Das klingt mühsam.

Ja, ist es auch. Die Finanzen beschränken natürlich, wie viel wir erreichen können. Wir haben derzeit nur drei Korrespondent:innen im Land, dabei würden wir unser Netz gerne erweitern.

Können Sie ein Beispiel für Fake News nennen, die Sie überprüft und aufgedeckt haben?

Da gibt es viele, ich greife zwei heraus. Im Jahr 2021 war in den Sozialen Netzwerken zu lesen, dass die Russische Föderation zwölf Generatoren an die zentralafrikanische Energie- und Stromerzeugungsgesellschaft gespendet hatte. Zu der Zeit hatten wir eine Stromkrise, es gab so gut wie keinen Strom mehr. Als sie die Nachricht von den gespendeten Generatoren hörten, waren die Menschen erleichtert. Wir haben uns eingeschaltet, um herauszufinden, ob sie der Wahrheit entspricht. Wir haben beim staatlichen Stromversorger nachgefragt und am Flughafen recherchiert, aber die Generatoren gab es nicht. Im vergangenen Jahr wurde gemeldet, Russland habe zehn Kriegsflugzeuge an die Zentralafrikanische Republik geliefert. Wir haben das überprüft und festgestellt, dass nur zwei Flugzeuge angekommen waren, obwohl von zehn die Rede gewesen war.

Sie legen sich mit mächtigen Gegner:innen an. Ist Ihre Arbeit gefährlich?

Ja. Drei Menschen, die mit uns gegen Desinformationen gekämpft haben, sind schon unter tragischen Umständen gestorben. Zwei Todesfälle ereigneten sich im Jahr 2021, der dritte im Januar 2024. Wir konnten die Hintergründe noch nicht aufklären, aber diese Todesfälle sind sehr beunruhigend. Die Umstände waren bei allen dreien sehr ähnlich. Die Betroffenen stürzten und starben wenig später im Krankenhaus. Seitdem haben die Menschen Angst und sind verunsichert, wenn es um den Kampf gegen Desinformation geht.

Das gilt auch für Sie?

Mir macht das auch Angst, weil wir gegen Netzwerke kämpfen, die gut organisiert sind. Wir sind nicht geschützt, wir sind leicht zu treffen. Zwischenzeitlich kam unsere Arbeit fast zum Stillstand. Jetzt versuchen wir, die Dinge wieder in Gang zu bringen. Wir werden auf jeden Fall mit dem Faktencheck weitermachen und die Hände nicht in den Schoß legen.

Interview: Bettina Rühl

Der Journalist Fridolin Ngoulou (39) ist Direktor der zentralafrikanischen Online-Zeitung Oubangui Médias, die auch in gedruckter Form erhältlich ist. Geplant ist zusätzlich ein Bürgerradio. Ngoulous besonderes Anliegen ist der Faktencheck. Auf dem Portal von Oubangui Médias gibt es für die Ergebnisse solcher Checks einen eigenen Bereich. Das Team besteht aus 14 Mitgliedern, die Hälfte davon sind Journalist:innen. Ngoulou hat in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui und im französischen Tours Journalismus studiert. Nach dem Studium und der Corona-Pandemie kam er in seine Heimat zurück, um Oubangui Médias zu gründen. Außerdem lehrt er Journalismus an der Universität von Bangui.

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