Khaing Zar Aung kämpft im Exil weiter

Von Milena Österreicher · · 2024/Nov-Dez
Porträtfoto von Khaing Zar Aung

Khaing Zar Aung ist Menschenrechts- und Gewerkschaftsaktivistin aus Myanmar. Ihr Einsatz zwang sie ins Exil nach Deutschland. Von dort kämpft sie konsequent weiter.

Khaing Zar Aung ist eine vielbeschäftigte Frau. Die 40-Jährige lebt seit über drei Jahren in Deutschland und kämpft dort aus dem Exil für die Arbeitsbedingungen in den Bekleidungsfabriken in Myanmar. Denn sie weiß, was es heißt, in diesen zu schuften. Sie begann selbst mit 16 Jahren dort zu arbeiten. „Wir verdienten etwa 1,50 US-Dollar pro Tag, arbeiteten dafür bis zu 16 Stunden und hatten selten freie Tage“, erinnert sie sich.

2006 ging sie nach Thailand, um sich nach einem besseren Job umzusehen. Die Bedingungen waren tatsächlich andere als in ihrem Heimatland. „Ich arbeitete in einer sehr kleinen Fabrik, von acht bis 17 Uhr, mit einem freien Tag pro Woche und verdiente rund 180 US-Dollar im Monat“, erzählt sie. Bald wurde ihr einer der Gründe dafür bewusst: Die Menschen hatten sich organisiert.

Gewerkschaft gegen Militär. Als Folge schloss sie sich der gewerkschaftlichen Bewegung Federation of Trade Unions Burma (FTUB) an, die heute unter dem Namen Confederation of Trade Unions, Myanmar aktiv ist. Die Organisation setzte sich für Demokratie und gegen die damals herrschende Militärregierung unter General Than Shwe ein. Zwischen 1962 und 2010 wurde das südostasiatische Land von verschiedenen Militärregimen geführt.

Nachdem 2012 die Opposition mit der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi die Wahlen gewann, kehrte Khaing Zar Aung nach Myanmar zurück. „Ich wollte immer etwas verändern in meinem Land“, sagt sie. Dementsprechend war Khaing Zar Aung aktiv und übernahm immer wieder Verantwortung: Sie war Generalsekretärin des Frauenausschusses der FTUB, einige Jahre auch stellvertretende Generalsekretärin der Industrial Workers Federation of Myanmar (IWFM) und danach ihre Präsidentin sowie Vorstandsmitglied des Dachverbands Confederation of Trade Unions, Myanmar (CTUM). „Wir erkämpften mit den Gewerkschaften verschiedene Standards wie einen freien Tag pro Woche oder bezahlte Urlaubstage“, sagt Khaing Zar Aung.

Doch dann war wieder Schluss mit den Erfolgen: Im Februar 2021 putschte sich das Militär in Myanmar an die Macht und stürzte die damalige Regierung. Gewerkschaften wurden verboten. Die Gewerkschaften formierten sich als Teil der Widerstandsbewegung gegen die Militärjunta. „Wir protestierten und trugen vor allem anfangs dazu bei, dass Hunderttausende auf die Straße gingen und sich uns anschlossen“, erzählt Khair Zar Aung.

Das Land befindet sich seither im Bürgerkrieg. Laut UNO wurden mehr als drei Millionen Menschen innerhalb Myanmars vertrieben. Die Militärjunta verhaftete, folterte, tötete bis heute tausende Menschen und erließ Haftbefehle gegen führende Gewerkschaftsmitglieder wie Khaing Zar Aung.

Erfolg aus dem Exil. Bevor sie die Militärs verhaften konnten, schaffte sie es nach Deutschland zu kommen. Von dort sammelt sie nun Beweise für Arbeitsrechtverstöße in Myanmar. „Ich habe schon manchmal Angst, obwohl ich nun in Deutschland lebe“, sagt Khaing Zar Aung. Doch ihr Einsatz trägt Früchte: Im vergangenen Jahr setzte etwa die ILO eine Untersuchungskommission ein, um Zwangsarbeit und die Verletzung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Myanmar zu untersuchen.

Marken wie Inditex (z. B. Zara), H&M und Primark haben ihre Produktion verlagert bzw. angekündigt, dies schrittweise zu tun. „Ich appelliere an die internationalen Unternehmen, die dort immer noch tätig sind, sich zurückzuziehen“, sagt sie. Und sie fordert die Europäische Union auf, alle Handelsvorteile für Myanmar zu streichen, z. B. jene, die dem Land seit 2001 einen zollfreien EU-Zugang für fast alle Produkte außer Waffen und Munition ermöglicht.

Im Juni 2024 wurde Khaing Zar Aung in Oslo für ihren Einsatz mit dem Internationalen Arthur-Svennson-Preis für Gewerkschaftsrechte ausgezeichnet. Auf der Bühne streckte sie drei Finger in die Höhe. Es ist das Zeichen des Widerstands gegen das Militärregime Myanmars. „Wir kämpfen für unsere Rechte und Freiheiten als Arbeitende, aber auch für das Wesen der Demokratie“, sagt die Gewerkschafterin. Den Widerstand wird sie weiterführen bis ihre Kolleg:innen in den Fabriken Myanmars faire Arbeitsbedingungen erhalten und die Demokratie wieder Einzug ins Land gehalten hat.

Milena Österreicher ist Chefredakteurin des vierteljährlich erscheinenden MO-Magazins für Menschenrechte. Sie traf Khaing Zar Aung im Zuge einer Recherche zu Gewerkschafter:innen im Exil zu einem ausführlichen Online-Gespräch.

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