Liebe mit Bedingungen

Von Redaktion · · 2009/07

Uganda: Die Hoffnung auf finanzielle Vorteile treibt junge Frauen immer öfter in die Arme älterer Männer – so genannter Sugar Daddies. Auch immer mehr junge Männer suchen sich eine Sugar Mummy. Über Risiken dieser Beziehungen klärt nun eine landesweite Kampagne auf. Patricia Otuka-Karner aus Kampala.

Ich habe meine derzeitige Geliebte über eine Zeitungsannonce kennengelernt. Einige meiner Freunde hatten damit bereits Erfolg. Andere haben einander in Bars kennengelernt“, erzählt Mawanda Jackson. Der 21-Jährige studiert Informatik an der Makerere University in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Seine Freundin, Namukasa Catherine, ist 48 Jahre alt. Auf die Frage, ob sie dieser Altersunterschied zu einer Sugar Mummy mache, lächelt er verschmitzt.

Mawanda ist einer von vielen jungen Studierenden – männlich oder weiblich -, die eine Beziehung mit einem deutlich älteren Partner führen. Obwohl er der Mittelklasse des Landes angehört und seine Eltern sein Studium finanzieren können, erwartet er sich mehr. „Mehr“ bedeutet: bessere Kleidung, ein teures Mobiltelefon, gar ein Auto. Dieser Luxus wird ihm durch eine Partnerschaft ermöglicht. Von Sugar Daddy- oder Sugar Mummy-Beziehungen spricht man bei (oft außerehelichen) sexuellen Beziehungen, bei denen ein Altersunterschied von mindestens zehn Jahren zwischen den Partnern besteht. Sie basieren auf Gegenleistungen. Sex im Austausch – für ein Stück Seife, ein Kilo Zucker oder, wie im Falle von Mawanda, Luxusgüter. In Uganda gaben 2002 elf Prozent der Frauen zwischen 15 und 24 Jahren an, dass ihre ersten sexuellen Beziehungen dieser Art waren. 2007 waren es bereits 20 Prozent der Befragten.

Die Gründe, eine Beziehung mit älteren Frauen oder Männern einzugehen, reichen von „der Armut entkommen“ bis „Luxusgüter gewünscht“. Charakteristisch ist das meist materielle Interesse des jüngeren Partners oder der Partnerin sowie ein Drängen der oder des Älteren. Durch die materielle Abhängigkeit der einen Seite können und werden Gegenleistungen von der anderen Seite erzwungen. Hinzu kommt ein weitverbreiteter Glaube, dass junge Mädchen nicht mit HIV/AIDS infiziert sein können. Dabei ist laut Studien gerade bei Paaren mit großem Altersunterschied das Risiko höher. Das ist jedoch kaum bekannt oder wird gerne ignoriert. Genauso wie die Tatsche, dass viele Sugar Mummies und Daddies verwitwet sind, weil ihre PartnerInnen an AIDS gestorben sind.

Mawanda jedoch ist glücklich. „Wir haben viel Spaß zusammen. Catherine kauft mir schöne Dinge und wir gehen viel aus. Meist treffen wir Freundinnen von ihr mit deren Partnern, die auch in meinem Alter sind.“ Woran Catherines Mann gestorben ist, will er nicht wissen. Wenn Mawanda erzählt, dass seine Partnerin auch in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschen will, scheint ihm das Gespräch unangenehm zu werden. Viele Sugar Mummies und Daddies erwarten besondere sexuelle Aufmerksamkeit im Austausch für ihre Großzügigkeit. Dies kann besonders jungen Männern peinlich sein. Im Unterschied zu ihren Altersgenossinnen, die davon träumen, ihre Sugar Daddies auch zu heiraten, wollen junge Männer oft nur kurzfristige Abenteuer. Mit dem Geld und den Luxusartikeln, die sie von ihren Sugar Mummies bekommen, versuchen sie, gleichaltrige Mädchen zu beeindrucken.

Mit dem Phänomen der Sugar Daddies werden vor allem sehr junge Mädchen, die sexuelle Beziehungen mit älteren Männern eingehen, assoziiert. Es wird jedoch kaum wahrgenommen, dass mittlerweile auch fast ebenso viele junge Männer betroffen sind. Die ugandische Gesellschaft betrachtet die Phänomene von Sugar Mummies und Sugar Daddies unterschiedlich. Mädchen werden für den „guten Fang“, den sie mit einem reichen, wenn auch älteren Partner, gemacht haben, oft beglückwünscht. Beziehungen von jungen Männern mit Sugar Mummies hingegen werden tabuisiert.

„Wenn meine Eltern von meiner Beziehung mit Catherine wüssten, wären sie sehr enttäuscht und würden sich Sorgen machen, dass sie mich verdirbt“, erzählt Mawanda. Hätte seine Schwester eine solche Beziehung, so ist er sich sicher, würden die Eltern sie bedrängen, den Mann vor den Traualtar zu bringen. Der Brautpreis, den sie von einem älteren, reichen Mann verlangen könnten, würde das Familieneinkommen erheblich verbessern.

2005 begann die Nichtregierungsorganisation (NGO) Young Empowered and Healthy (Y.E.A.H.) ihre Kampagne „Something for Something Love“ – „Etwas für Etwas-Liebe“. Darin wurden sexuelle Beziehungen, die auf materiellen Gegenleistungen beruhen, kritisiert. Emebet Wuhib-Mutungi, Marketingleiter von Y.E.A.H., betont, dass alle eigenen Projekte auf Studien beruhen, die zuerst die Faktenlage prüfen. „Wir sprechen junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren an, da sie die größte Risikogruppe darstellen, aber auch ihre Altersgenossen.“

Mit Postern in ganz Uganda werden gezielt Botschaften zur Aufklärung verbreitet. Diese wenden sich an die Mädchen ebenso wie an deren Eltern und die potenziellen Sugar Daddies. Außerdem werden Radio-Hörspiele in verschiedenen lokalen Sprachen ausgestrahlt, die die Folgen solcher Beziehungen, wie ungewollte Schwangerschaften und sexuell übertragbare Krankheiten, thematisieren und davor warnen. Eine weitere Kampagne von Y.E.A.H. wandte sich vor allem an Männer und geschlechterspezifische Verhaltensmuster innerhalb von Beziehungen. „Sei ein Mann. Ein wahrer Mann geht eine Beziehung nicht wegen sexueller Gegenleistungen, sondern aus Respekt und Liebe ein.“ Mit diesem Slogan wurde über gesundheitliche Aspekte hinausgehend eine Bewusstseinsänderung angestrebt.

Ein berühmtes Beispiel für einen angeblichen Sugar Daddy in Uganda, das auch international für Aufsehen gesorgt hat, ist Stephen Rwangyezi, Leiter des Ndere Centre in Kampala. Das Ndere Centre ist die Heimstätte der Ndere Troupe, die seit 1984 sozialen Wandel durch Kunst herbeiführen will. 1992 wurde die Ndere Troupe erstmalig vom Vienna Insitute for International Dialogue and Cooperation (VIDC) nach Österreich eingeladen und anschließend mit Mitteln der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) finanziell unterstützt.

2008 kam es zum großen Skandal: Gegen Stephen Rwangyezi wurden Missbrauchsvorwürfe erhoben. Eine ehemalige, enge Vertraute, die namentlich nicht erwähnt werden will, meint, dass die Vorwürfe stimmen. Auf die Frage, wie viele Mädchen betroffen seien, antwortet sie nur mit „alle“. „Er ist der Boss. Wer Unterstützung durch das Zentrum will, muss eine Gegenleistung erbringen.“ Geld, Reisen, Unterkunft gegen Sex: Das wäre eine klassische Sugar Daddy-Beziehung. Offiziell wurden die Vorwürfe nie bestätigt und es kam zu keiner Anzeige.

Aufgrund der Vorwürfe haben mittlerweile jedoch über 30 Mitglieder – Frauen wie Männer – die Ndere Troupe verlassen und sich einer anderen Gruppe angeschlossen. Deren Leiter, Yusuf Kuddu, auch ehemaliges Mitglied der Ndere Troupe, bekräftigt die Anschuldigungen und drückt überdies seinen Unmut über die Reaktionen aus. „Wir haben bereits mit sehr vielen Menschen über die Missbrauchsfälle gesprochen. Aber niemand wollte sie hören.“ In der Zwischenzeit haben sich die ehemaligen Ndere-Mitglieder mit ihrer eigenen Tanzgruppe starkgemacht, halten sich jedoch mit Aussagen Rwangyezi und die Ndere Troupe betreffend zurück.

Von österreichischer Seite wurde jegliche Kooperation eingestellt. Walter Ehmeir vom Koordinationsbüro der OEZA in Kampala bestätigt: „Wir sind nicht in einer Position, in der wir den Vorwürfen nachgehen können oder wollen. Dies ist nicht unsere Aufgabe. Wir haben sie jedoch sehr ernst genommen. So ernst, dass wir die Kooperation mit Ndere eingestellt haben. Es werden keine Mittel mehr an das Ndere Centre ausgezahlt.“ Ehmeir betont, dass die Vorwürfe bislang ungeklärt sind.

Um eine Bewusstseinsveränderung bei Mawanda und seinen AltersgenossInnen sowie den Sugar Mummies und Daddies zu bewirken, bleibt noch viel zu tun. Immer noch sind die Anzeigenteile der Zeitungen an den Wochenenden voll mit mehr oder weniger direkten Aufrufen für auf Gegenleistung beruhende Beziehungen. Der Wunsch nach schnellem Reichtum lässt viele junge Menschen die Risiken vergessen. Auch die Sugar Daddies und Mummies denken wenig an die Konsequenzen. „Y.E.A.H. hat im Juni eine neue Kampagne gestartet“, berichtet Emebet Wuhib-Mutungi. „Sie wird sich vor allem an junge Männer richten und die Aspekte Alkohol, Sex mit Erwartungen und Gewalt gegen Frauen aufgreifen.“

Patricia Otuka-Karner ist Theaterwissenschaftlerin und lebt in Uganda. Dort arbeitet sie im Auftrag der deutschen Organisation EIRENE (www.eirene.org) bei der Frauenrechtsorganisation ACFODE, Action for Development.

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