Sie haben schon mit elf Jahren Ihr Schicksal in die eigene Hand genommen und Ihre Familie verlassen. Wie sehen Sie das heute?
Ich hatte viel Glück, dass mir nichts passiert ist. Aber ich bin stolz auf mich, denn dadurch bin ich möglicherweise einer frühen Verheiratung entgangen und habe es geschafft, eine Ausbildung zu bekommen.
Was ist der wichtigste Rat, den Sie Ihren Kindern mit auf den Weg geben?
Auch wenn ich das manchmal bereuen mag, sage ich ihnen immer wieder, dass sie mir als Mutter nichts schulden. Sie sollen ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen leben und nicht nach denen anderer.
Vermissen Sie Somalia?
Ja, jeden Tag. Von hier aus kann ich nicht so viel zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen dort beitragen, wie ich will. Deswegen engagiere ich mich vor allem für die Stärkung von Frauen und Mädchen in der Diaspora.
Hamdi Hassan wurde 1987 als erstes von zehn Kindern in Zentralsomalia geboren. Mit elf lief sie von zu Hause weg, mit 13 zog sie zu ihrer Großmutter in die Hauptstadt Mogadischu. Dort ging sie in die Schule und studierte Journalismus.
Dann arbeitete sie drei Jahre lang ehrenamtlich bei einer Radiostation, bevor sie 2009 eine bezahlte Stelle als Moderatorin bekam und schließlich von der britischen BBC angestellt wurde. 2015 musste Hassan kriegsbedingt das Land verlassen und kam nach Wien.
Vom ersten Tag an übersetzte sie ehrenamtlich Somali-Englisch und engagierte sich für die Förderung von somalischen Frauen und Mädchen. Beruflich ist die zweifache Mutter weiterhin als Journalistin tätig: z. B. für Radio Orange 94.0, sowie als Kolumnistin im Südwind-Magazin für die Rubrik „Gedanken von Welt“. Zudem arbeitet sie als Dolmetscherin bei verschiedenen Organisationen.
Was macht einen Tag zu einem guten Tag?
Wenn ich keine bestürzenden Nachrichten aus Somalia höre. Fast täglich aber gibt es welche über explodierte Bomben, Hunger, Klima-Probleme, …
Was macht Sie wütend?
Wenn mir Menschen auf der Straße in Wien sagen, dass ich heim nach Afrika gehen soll. Und dann denke ich daran, wie sich diejenigen aus der Community fühlen, die hier geboren wurden, wenn sie so etwas hören.
Wenn Sie sich eine Eigenschaft wünschen dürften, die Sie nicht haben, welche wäre das?
Vertrauen. Ich habe hier in Österreich aufgrund rassistischer Bemerkungen mir gegenüber viel davon verloren. Ich bin vorsichtig geworden und vielleicht lerne ich dadurch auch weniger Menschen kennen, die ich schätzen würde.
Welche gute Tat kann jede:r hierzulande heute noch tun?
Wenn jemandem nichts Gutes einfällt, was er oder sie tun könnte, sollte diese Person zumindest darauf achten, niemandem Schaden zufügen.
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