Um queere Menschen zu unterstützen, haben zwei junge Kenianer:innen eine Online-Plattform gegründet.
Oduor Maleba (Name auf Wunsch geändert) ist ein Bücherwurm. Neben seiner Arbeit in einem Buchladen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi schreibt der 25-Jährige Kurzgeschichten und träumt davon, dass diese eines Tages veröffentlicht werden. Vor fünf Monaten hat er sich beim Queer African Network (QAN) registriert, einer virtuellen Plattform für queere Menschen in Afrika und der Diaspora. „Ich bin froh über diesen Ort, an dem ich mich sicher fühlen und Verbindungen knüpfen kann“, sagt Maleba. Bislang hat er – zunächst virtuelle – Freundschaften mit anderen Literaturinteressierten geknüpft und hofft, ein literarisches Aufenthaltsstipendium zu finden, um sein Schreiben zu verbessern.
Queer-Netzwerk: 2.000 Mitglieder in 18 Ländern
„Queere Menschen in Afrika werden unsichtbar gemacht“, sagt Nerima Makhondo. Sie und Okong’o Kinyanjui, beide 26 Jahre alt und queer, wollten dies nicht länger hinnehmen. „Ich habe einen Ort gesucht, an dem ich existieren kann“, sagt Makhondo. 2020 gründeten die beiden das Online-Netzwerk Queer African Network (QAN), das heute etwa 2.000 Mitglieder in 18 Ländern hat, die meisten davon junge Menschen unter 30, die in Afrika leben. „Wir wollten ein Zeichen setzen und zeigen: Wir sind hier und laden andere queere Menschen ein, sich miteinander zu vernetzen und zu unterstützen“, fährt Makhondo fort. Zudem, so Kinyanjui, sei „die afrikanische Diaspora etwa in den USA sehr daran interessiert, ihre afrikanischen Wurzeln zu ergründen und Verbindungen zum Kontinent herzustellen, aber auch, finanziell zu helfen“.
Homosexualität ist in mehr als 30 Ländern Afrikas illegal, in weiteren Staaten gesellschaftlich nicht akzeptiert. In Mauretanien, Sudan, im Norden Nigerias und im südlichen Somalia steht darauf sogar die Todesstrafe. Dabei war Afrika ein Kontinent sexueller Vielfalt, bevor Kolonialmächte Afrikaner:innen ihre anti-homosexuellen Gesetze aufzwangen, befeuert vom wachsenden Einfluss christlicher Missionare sowie einer zunehmend konservativen und rigiden Auslegung des Islam. Viele dieser archaischen Gesetze gelten bis heute.
Doch es bewegt sich etwas am Kontinent: 2019 hat Angolas Parlament Homosexualität nicht nur entkriminalisiert, sondern auch jegliche Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verboten. Im Jahr zuvor urteilte ein kenianisches Gericht, dass Männer, die homosexueller Aktivitäten überführt werden sollen, keine Analtests mehr erdulden müssen – ein Meilenstein. Allerdings drohen Menschen in Kenia für „Geschlechtsverkehr wider die Natur“ weiter bis zu 14 Jahre Gefängnis.
Initiative will größtmöglichen Entfaltungsspielraum
Das kostenfreie Queer African Network hat ein vielseitiges Online-Portfolio: Neben der Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen, nehmen die Mitglieder vor allem das Informationsangebot zu Jobs, Stipendien, Weiterbildungen, Betreuung und Beratung wahr – ein Aspekt, den Maleba besonders an QAN schätzt. „Jungen queeren Afrikanerinnen und Afrikanern Chancen aufzuzeigen ist eine echte Bereicherung, die weit über die soziale Komponente hinausgeht.“ Darüber hinaus können Mitglieder in einem Blog ihre Geschichten aufschreiben; es gibt eine Dating-Funktion, eine Veranstaltungs- und eine Spendenseite für das Netzwerk. Den Gründern zufolge ist dieses Angebot bisher einmalig.
Wer beim QAN Mitglied werden möchte, wird zunächst unter Vorbehalt aufgenommen, das Verhalten auf der Seite über eine gewisse Zeit beobachtet und geprüft. Die Sicherheit der Mitglieder hat für Makhondo und Kinyanjui oberste Priorität.
Anja Bengelstorff arbeitet seit mehreren Jahren als freie Journalistin in Kenia und schreibt für deutschsprachige Medien.
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