Indigene und Schwarze Frauen am Wort

Von Sara Meyer · ·
Gruppenbild mit Notimia-Reporterinnen in Mexiko
Mittlerweile schreiben über 200 Frauen in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern für Notimia © Notimia

Die Journalistinnen der Nachrichtenagentur Notimia nutzen viele Sprachen und halten zusammen. Damit setzen sie Zeichen gegen Unterdrückung, Ausgrenzung und Rassismus.

In Mexiko werden insgesamt 69 Sprachen gesprochen. Aber: Nachrichten sind fast nur auf Spanisch verfügbar. Um das zu ändern, gründeten einige Frauen 2017 die erste indigene Nachrichtenagentur der Welt, Notimia. Der Name steht für „Nachrichten von indigenen und von Frauen mit afrikanischen Vorfahren“.

Seither schafft das Team eine Gegenöffentlichkeit: Es berichtet über Themen und Probleme aus der Warte derer, über die in den Medien, wenn überhaupt, als Opfer berichtet wird. Gründerin Guadalupe Martínez Pérez, die ausschließlich Lupita genannt werden möchte, strahlt, wenn sie von ihrem Projekt erzählt. Sie erklärt, dass sie und ihre Kolleginnen Notimia gegründet haben, um sich gegen die „asymmetrischen Machtverhältnisse“ aufzulehnen.

Anders als herkömmliche Redaktionen

Indigene und Schwarze Frauen werden immer nur als arm und ungebildet präsentiert, sagt Lupita und fügt hinzu: „Die Frauen wollen zeigen, dass sie mehr sind als das, was die Mehrheit der Gesellschaft in ihnen sieht.“ Deshalb schreiben die Reporterinnen von Notimia aus ihrer Perspektive zu politischen Ereignissen, ,,sodass der Rest der Welt aus erster Hand” erfahren könne, wie man in ihren Gemeinschaften denkt. Das Kollektiv sieht sich als Sprachrohr für Geschlechterfragen, Friedenspolitik und Pressefreiheit.

Anfangs bestand die Redaktion aus wenigen Frauen aus Mexiko. Über soziale Medien wurde das Nachrichtenportal auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt und immer mehr Frauen begannen, für Notimia zu schreiben. Heute umfasst die Agentur ein lateinamerikanisches Netzwerk von mehr als 250 Reporterinnen und berichtet in verschiedenen indigenen Sprachen sowie auf Spanisch.

Die Frauen stammen aus Mexiko, Brasilien, Guatemala, Honduras und Bolivien. Sie tauschen sich über ihre kulturellen Hintergründe aus und lernen die Lebensrealitäten der anderen kennen. Eine örtlich gebundene Redaktion gibt es nicht. Treffen finden statt, wenn es die dafür nötigen finanziellen Mittel gibt.

Die Reporterinnen erlernen ihr Handwerk in Workshops, die in Kooperationen mit Universitäten durchgeführt werden. Die meisten schreiben ihre Beiträge mit ihren Smartphones, da nicht alle Computer oder Laptops haben.

Nicht ernst genommen

Trotz der bisherigen Erfolge müssen sich die Reporterinnen von Notimia ihren Platz in der Gesellschaft hart erkämpfen. Patricia Celerina Sánchez Santiago, ein Mitglied Notimias, berichtet von Diskriminierungserfahrungen: Ihnen sei gesagt worden, „dass wir uns wegen unseres Aussehens nicht in den Medien zeigen sollten und wir nicht professionell schreiben könnten“. Das sei der tiefsitzende Rassismus, den es in Mexiko und in ganz Lateinamerika gebe. Als indigene Frauen entsprächen die Journalistinnen nicht den gängigen Vorstellungen.

Santiago erzählt weiter: „Eine unserer Kolleginnen wurde von einer Pressekonferenz ausgeschlossen, da sie nicht das Gesicht einer Journalistin habe.“ Ähnliche Vorfälle ereigneten sich auch bei internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen und der Welternährungsorganisation. „Sogar die mussten wir am Anfang von unserer Arbeit überzeugen, da wir historisch gesehen die Armen ohne Geld und ohne Spanischkenntnisse sind. Die Mehrheitsgesellschaft sieht uns immer noch so“, so Lupita.

Kreative Finanzierung

Die Nachrichten sind kostenlos und die Verfasserinnen erhalten keine Honorare. Auf die Frage, wie sie sich finanziell über Wasser halten, antworten Lupita und Santiago mit einem herzlichen Lachen und erzählen stolz: „Wir haben Tombolas mit Gewinnen von einer selbstgenähten Bluse bis hin zu einem gespendeten Auto organisiert.” Dennoch stelle es einen Kraftakt dar, die Agentur voranzubringen – eine Aufgabe, die ohne die Hingabe und den Glauben der Frauen an die Notwendigkeit von Veränderungen ohnehin unmöglich wäre.

Mehr auf: notimia.com


Sara Meyer hat Recht, Internationale Beziehungen und Regionalstudien Lateinamerika in Deutschland und Kolumbien studiert, wo sie heute lebt. Sie schreibt u. a. für Amerika 21 und die Junge Welt über Menschenrechtsthemen, Feminismus und aktuelle politische Entwicklungen in Kolumbien, Paraguay und Mexiko.

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