Niemals hätte ich gedacht, dass in Österreich im Jahr über 30 Morde von Männern an Frauen begangen werden.
Österreich gilt vielen Studien zufolge als eines der sichersten Länder der Welt. Aber: Es werden hier mehr Frauen als Männer umgebracht, und die Zahlen steigen! Ich frage mich: Wenn das hier so ist – kann es dann irgendwo auf der Welt einen sicheren Ort für Frauen geben?
Ich kannte die zwei somalischen Frauen, die im September 2021 vom Ex-Mann der einen am helllichten Tag in ihrer Wohnung getötet wurden. Wie kann das sein in einer Stadt, in der die meisten Tür an Tür wohnen?
Ich höre den Staubsauger in der Nachbarwohnung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man es nicht mitbekommt, wenn jemand um Hilfe ruft. Offenbar haben auch die Behörden versagt, denn der Täter war vorbestraft, wie in anderen Fällen auch.
Dieses Taubstellen und Wegschauen gibt es in Somalia nicht. Da fühlen sich alle berufen einzuschreiten, sollte Gewalt hör- oder sichtbar werden. Aber auf der anderen Seite ist es verpönt, wenn Frauen über Gewalterfahrungen sprechen.
Umso wichtiger ist es mir als Mutter, einen Unterschied zu machen. Meiner 12-jährigen Tochter sage ich immer wieder, dass niemand sie ohne ihr Einverständnis berühren darf, und dass sie darüber reden soll, falls es dennoch passiert.
Ich weiß, dass ich auf keinen Mann so viel Einfluss habe wie auf meinen zehnjährigen Sohn. Ihm bringe ich bei, dass jegliche Form von Gewalt inakzeptabel ist.
Die Politik reagiert nun – aber zu spät, und zu zaghaft. Trotzdem dürfen wir die Hoffnung auf Besserung nicht aufgeben, weil wir ohne Hoffnung nicht leben können. Aber wir dürfen es auch nicht dabei belassen. Wir müssen über die Gewalt an Frauen reden und dagegen auftreten, wenn wir wirklich sicher zusammenleben wollen.
Hamdi Hassan ist freie Journalistin sowie Dolmetscherin/Übersetzerin bei verschiedenen Organisationen. Sie kommt aus Somalia und lebt seit ca. sechs Jahren in Österreich.
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