Mali: Keine Wahlen mehr in Sicht

Von Katrin Gänsler · ·
Kartenausschnitt von Westafrika

In Mali ist seit 2020 eine Militärregierung an der Macht. An den anfangs ausgearbeiteten Fahrplan zur Rückkehr zu einem Mehrparteiensystem hält sie sich nicht. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas ist in Aufregung.

Die Situation in Mali spitzt sich weiter zu. Das westafrikanische Land (20 Millionen Einwohner*innen) steckt aufgrund von sich ausbreitenden Terrorgruppen, bewaffneten Banden und einem schwachen Staat seit zehn Jahren in einer schweren Krise.
Nun kommen Sanktionen durch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hinzu. Sie sollen die Militärjunta, die seit August 2020 an der Macht ist, zum Einlenken bewegen. Die Regierung von General Assimi Goïta und Premierminister Choguel Maïga hält sich nicht an den zunächst abgesprochenen Fahrplan und will Wahlen nicht sofort, sondern in den „nächsten fünf Jahren“ durchführen, kritisiert  Ecowas. Die von der Militärjunta kontrollierte Volksvertretung hat nun auch ein entsprechendes Gesetz verabschiedet.

Seit dem 10. Jänner sind die Grenzen geschlossen. Nur Lebensmittel kommen noch ins Land, Exportprodukte wie Baumwolle aber nicht mehr heraus. Das betrifft längst die ganze Region. Im Senegal, für den der Binnenstaat Mali das wichtigste Exportland ist, sagt Wirtschaftswissenschaftler Ndongo Samba Sylla: „Auch der Senegal wird bestraft.“ Das Nachbarland erlebe einen Einbruch bei seinen Exporten. Syllas Hauptkritik lautet jedoch: „Die Sanktionen sind illegal. Sie haben keine legale Basis. Ecowas hat seine Kompetenzen überschritten.“ Der Gründungsvertrag der Ecowas sieht Maßnahmen in dieser Form schließlich nicht in Dokumenten vor.

Verhinderte Finanztransaktionen. Eine weitere Folge der Sanktionen ist der Stopp der Finanztransaktionen. Die Westafrikanische Zentralbank hat das Vermögen Malis einfrieren lassen. Möglich ist das, weil Mali gemeinsam mit sieben weiteren Ländern der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion angehört und keine eigene Währung hat. Wie lange die Militärregierung beispielsweise noch Gehälter zahlen kann, ist unklar.

„Wir sehen einen Einschnitt in die Lebensfähigkeit der Bevölkerung“, sagt Christian Klatt, Leiter der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako: „Es kommt zu einer Preissteigerung auf den Märkten. Händler und Händlerinnen nutzen die Gelegenheit, Preise anzuheben. Wenn sich dieser Prozess fortsetzt, werden wir bei der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln Einschränkungen sehen“. Beispielsweise haben sich die Preise für Zucker und Kochgas erhöht.
Was jetzt schon fehlt, ist Baumaterial. In einem Land, in dem die Bevölkerung jedes Jahr um drei Prozent wächst, muss ständig neuer Wohnraum geschaffen werden. Seit Jahren ist der Trend ungebrochen, in Richtung Hauptstadt zu ziehen, weil das Leben in anderen Regionen aufgrund von Überfällen und Anschlägen zu riskant wird.

Hunderttausende Geflüchtete. Nicht alle in Bamako Ankommenden sind mittellose Binnenflüchtlinge. Deren Zahl liegt jedoch so hoch wie nie zuvor. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) spricht von mehr als 400.000 Personen. Mitte Jänner warnten 13 nichtstaatliche Organisationen, dass über 7,5 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Die Sanktionen, denen sich auch die Europäische Union angeschlossen hat, würden die Situation noch verschärfen.

Die Regierung in Bamako ändert ihre Strategie bisher nicht. Tatsächlich erhält sie weiterhin viel Zustimmung. Auch in Nachbarländern wie Niger ist mittlerweile gegen die Ecowas-Maßnahmen demonstriert worden. Möglich ist allerdings, dass es sich stärker um einen Protest gegen den Druck von außen handelt und weniger eine aktive Unterstützung für General Goïta und Premier Maïga ist. Sie machen für die Situation nicht nur die Ecowas, sondern auch Frankreich verantwortlich. Anfang Februar sagte Maïga, die einstige Kolonialmacht wolle Mali spalten. Der französische Botschafter Joel Meyer wurde ausgewiesen.

Kaum Vertrauen. In Bamako gibt es zahlreiche Spekulationen, ob die Junta tatsächlich Wahlen organisieren will. Sie sagt: Zuerst müssen Sicherheit und Frieden wiederhergestellt werden. Die verschiedenen Militärmissionen haben das bisher nicht nachhaltig erreicht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat gerade erklärt, die Truppen abzuziehen. Das führt zu Spekulationen, wie sich weitere Nationen positionieren werden. Mit dem russischen Unternehmen Wagner sind mittlerweile auch Söldner im Land.
Das Vertrauen in glaubwürdige Wahlen ist gering. Bei der letzten Präsidentenwahl 2018 gaben gerade einmal gut 3,4 Millionen Malier*innen ihre Stimme ab, obwohl sich gut acht Millionen in das Wahlregister hatten eintragen lassen. Bei den umstrittenen Parlamentswahlen 2020 waren es nur noch 2,7 Millionen bei gut 7,6 Millionen Eintragungen.

Katrin Gänsler ist Korrespondentin mehrerer deutschsprachiger Medien in Westafrika und lebt in Cotonou/Benin und Abuja/Nigeria.

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