Plünderverträge unter der Lupe

Von François Misser · · 2008/06

Die Demokratische Republik Kongo ist dabei, alle in den Kriegszeiten mit ausländischen Investoren unterzeichneten Verträge zu revidieren und gegebenenfalls zu annullieren. Ein in der Geschichte Afrikas bisher beispielloser Prozess.

Mehrere Berichte der Vereinten Nationen haben in den letzten Jahren auf den Plünderungsprozess der natürlichen Ressourcen hingewiesen, dem Kongo-Kinshasa in den Kriegsjahren von 1996/97 und 1998 – 2003 unterworfen war. Diese Ausplünderung hatte mehrere Gesichter: Brutaler Raubbau durch die Armeen von Uganda und Ruanda oder die Unterzeichnung von „Löwen-Verträgen“ (d. h., ein Vertragspartner frisst den anderen). Bei diesen Verträgen handelt es sich um eine Art hausgemachter Plünderung mit der Komplizenschaft von politischen Führern des Landes oder von kongolesischen Rebellen.
Diese Komplizenschaft erklärt auch die Probleme, mit denen die Mitglieder einer Untersuchungskommission des Übergangsparlaments konfrontiert wurden. Diese Kommission nahm im September 2004 ihre Arbeit auf mit dem Auftrag, die bestehenden Verträge zu untersuchen und deren Bestätigung, Abänderung oder Annullierung zu empfehlen. Einige Abgeordnete wurden sogar bedroht und suchten bei den Blauhelmen der UN-Mission Schutz. In der Demokratischen Republik Kongo wird versucht, ein legales Raubsystem, das sich bis Anfang 2008, fünf Jahre nach Kriegsende, fortsetzte, zu Fall zu bringen. Und damit wird auch versucht, die Kontrolle über strategische Reserven wie Cobalt (u.a. in der Luftfahrttechnik und bei Mobiltelefonen verwendet) zurückzugewinnen. Kongo besitzt die Hälfte der weltweiten Vorkommen dieses wertvollen Minerals. Ziel der Kommission war letztlich, dass die kongolesische Bevölkerung von den Bodenschätzen ihres Landes profitieren kann.
Der Widerstand der herrschenden Eliten war erwartungsgemäß heftig. Der im Mai 2005 fertig gestellte Bericht der Kommission wurde nie in einer Vollversammlung des Parlaments diskutiert. Die in dieses Ausbeutungssystem verwickelten, in einem Näheverhältnis zu Präsident Joseph Kabila stehenden Personen wollten natürlich nicht, dass ihre Machenschaften an die Öffentlichkeit geraten. Dennoch erreichte es der Druck der Zivilgesellschaft, einiger Oppositionspolitiker und des gegenwärtigen Premierministers Antoine Gizenga, der sich bei den Wahlen von 2006 als Kämpfer gegen die Korruption profilierte, dass die Angelegenheit neu aufgerollt wurde. Schließlich wurde Mitte 2007 eine Regierungskommission ins Leben gerufen, die mit Unterstützung des Carter-Zentrums und des Open Society Institute von George Soros 61 zwischen Staatsunternehmen und privaten Firmen – fast alle ausländisch – unterzeichnete Verträge untersuchte.
Im vergangenen Februar gab der Vize-Minister für Bergbau, Victor Kasongo, bekannt, dass kein einziger dieser Verträge rechtsgültig ist und 24 davon annulliert werden müssten. In vielen Fällen bemängelte die Kommission eine Benachteilung der kongolesischen Firmen. In einem am 24. April in zwei belgischen Zeitungen veröffentlichten Interview bezeichnete es Präsident Kabila als „schockierend“, dass im größten Abbau-Projekt, den Kupfer- und Cobalt-Minen von Tenke-Fungurume, das staatliche Unternehmen Gécamines und der Staat nur mit 17,5 Prozent beteiligt sind, während der nordamerikanische Konzern Freeport McMoRan die restlichen 82,5 Prozent besitzt. Riesige Ressourcen stehen auf dem Spiel: Die Reserven werden auf zwischen 9 und 18 Millionen Tonnen Kupfer und 680 Tonnen Cobalt geschätzt, das ist das Zehnfache der derzeitigen Jahresproduktion dieses Rohstoffs. Die Kommission errechnete einen Gesamtwert der Reserven von 70 Milliarden US-Dollar, d.h. das Zehnfache des Bruttonationalprodukts der Republik Kongo.

Niemand entkommt: Die Kommission überprüft alle Verträge. So empfahl sie die Annullierung eines Joint Venture-Abkommens zwischen Gécamines und dem australischen Unternehmen First Quantum zur Ausbeutung der Cobalt- und Kupferminen von Kinganymabo Musono Tailings, deren Reserven auf einen Wert von neun Milliarden Dollar geschätzt werden. Die großen Diamantenkonzerne De Beers aus Südafrika und BHP Billiton aus Australien müssen Änderungen ihrer Verträge hinnehmen. Im Fall der AngloGold empfiehlt die Kommission, die Konzession zum Goldabbau im Distrikt Ituri um 6.040 km2 zu verringern.

Selbst die chinesischen Projekte werden einer Revision unterzogen. China schloss im September des Vorjahres einen Riesenvertrag von über acht Mrd. Dollar ab, der den Bau von Straßen und Eisenbahnen im Austausch gegen Bergbaukonzessionen in der Provinz Katanga vorsieht. Die Kommission empfahl die Annullierung eines Joint Ventures zwischen Gécamines und der China National Overseas Engineering Corporation (Covec) zum Abbau von Kupfer und Cobalt in Musonoie, Katanga.
Selbst das Joint Venture zwischen der staatlichen China Railway Engineering Corporation Group mit Covec und Gécamines zum Abbau von Kupfer und Cobalt in Luisha (im Wert von 3,5 Mrd. Dollar) muss neu ausgehandelt werden.
Die Neuaushandlung könnte sich für die kongolesische Regierung allerdings schwierig gestalten. Der US-Riese Freeport McMoRan ließ bereits verlauten, dass der Handlungsspielraum für eine Änderung des Vertrags mit Gécamines sehr gering sei – das staatliche Unternehmen möchte seinen Anteil von 12,5 auf 45 Prozent erhöhen. Freeport schließt auch nicht die Möglichkeit aus, den Fall vor ein internationales Schiedsgericht zu bringen, was den Beginn des Abbaus auf nächstes Jahr verschieben könnte.
Juristische Streitereien dieser Art könnten auch die wenigen Projekte gefährden, in denen bereits mit der Förderung begonnen wurde. Etwa jenes von Kamoto, wo die Katanga Copper Company, ein Joint Venture von belgischen, kanadischen und israelischen Firmen auf der einen und der staatlichen Gécamines auf der anderen Seite, Ende des Vorjahres die Produktion aufgenommen hat.
Bergbau-Fachleute glauben deshalb, dass die Regierung das Problem auf administrativem und nicht auf gerichtlichem Weg regeln wird. Die Regierung in Kinshasa hat es eilig, die Produktion in den verschiedenen Minen zu starten. Außerdem fürchtet sie die Kosten von unter Umständen langwierigen Prozessen vor den Schiedsgerichten in aller Welt. Schließlich ist es eine Tatsache, dass die Verträge von Regierungsfunktionären unterzeichnet sind, auch wenn sie noch so ungerecht sein mögen.

Auf jeden Fall wird es im kongolesischen Bergbauwesen beträchtliche Veränderungen geben. Die Regierung ist äußerst frustriert über die Verzögerung bei vielen Projekten durch die Unternehmen, die Konzessionen zu Spekulationszwecken einfrieren. Bergbauminister Martin Kabwelulu beklagte, dass von insgesamt 4.500 Lizenzen zur Exploration neuer Vorkommen nur in zehn Fällen der Abbau aufgenommen wurde. Es werden deshalb viele Annullierungen von Explorationslizenzen erwartet. Die Regierung ist jedoch gleichzeitig mit der schlechten staatlichen Verwaltung der Bodenschätze konfrontiert. Die ausländischen Unternehmen zahlen bei weitem nicht alle Abgaben, die sie entrichten müssten. Der Kongolesische Unternehmerverband (FEC) wies kürzlich auf die große Diskrepanz zwischen den vorgeschriebenen und den tatsächlich gezahlten Abgaben hin. Diese Besorgnis wird auch vom Senat geteilt, der nun eine Kommission ins Leben rief, die den ungenügenden Beitrag des Bergbausektors zum Staatshaushalt untersuchen soll.
Eine andere Plage ist der Schmuggel, der durch die Korruption und die Unfähigkeit der Zollbehörden begünstigt wird. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Department for International Development der britischen Regierung belegt einen beträchtlichen Unterschied zwischen den Ausfuhrstatistiken der Zollbehörden und den real durchgeführten Exporten. 2005 waren die tatsächlichen Kupferausfuhren fast doppelt so hoch wie die offiziell angeführten. Für das Jahr darauf wurden die Goldexporte aus der Provinz Kivu offiziell mit 600 Kilo angegeben, während die realen Ausfuhren zehn Tonnen erreichten. Die Differenz beläuft sich auf etwa 240 Millionen Dollar. Deutschland, Belgien und die EU-Kommission wollen eine Beratung finanzieren, um die Ausfuhrkontrollen zu verbessern. Mittlerweile geht der Raubbau weiter.

Der französische Journalist François Misser lebt in Brüssel und beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit Afrika sowie mit den Beziehungen EU – Afrika. Er ist Mitarbeiter der Berliner taz, von BBC-Afrique und anderen Medien und Autor mehrerer Bücher, u.a. „Géopolitique du Congo“.
Übersetzung aus dem Spanischen: Werner Hörtner.

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