Die Covid-19-Pandemie bremst Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen aus.
Traurige Zwischenbilanz: „Die weltweite Zahl der Covid-19-Todesopfer hat offiziell vier Millionen überschritten“, gab UN-Generalsekretär António Guterres am 7. Juli in New York bekannt. Dass die Pandemie wie ein Brennglas wirke, das gesellschaftliche Widersprüche und Ungleichheiten verstärke, war in den vergangenen Monaten oft von Expert*innen aus verschiedenen Bereichen zu hören.
Das hat Folgen für den UN-Aktionsplan „Agenda 2030“ für globale nachhaltige Entwicklung: Am 6. Juli war der alljährliche Fortschrittsbericht der Vereinten Nationen zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) erschienen, der genau dazu erstmals empirische Daten liefert. Fünfzig internationale und regionale Organisationen haben daran mitgearbeitet.
Fazit: Die Covid-19-Pandemie habe Fortschritte beim Erreichen der SDGs stark beeinträchtigt, nachdem man schon bisher nur langsam vorangekommen sei.
Im vergangenen Jahr wurden laut dem UN-Bericht zwischen 119 und 124 Millionen Menschen weltweit wieder in extreme Armut zurückgeworfen, und die Zahl der Menschen, die Hunger leiden müssen, sei von 690 Millionen (2019) um 83 bis 132 Millionen gestiegen. Ein Äquivalent von 255 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen ging demnach verloren.
Die Pandemie deckte Ungleichheiten zwischen den Regionen auf und verschärfte sie: Bis zum 17. Juni lag die Quote der Erstimpfungen in Europa und Nordamerika bei rund 68 Prozent, in Afrika südlich der Sahara bei weniger als zwei Prozent.
Ausländische Direktinvestitionen gingen im vergangenen Jahr um 40 Prozent zurück. Die Pandemie, so der UN-Bericht, habe insbesondere für den Globalen Süden Herausforderungen gebracht – mit einer Zuspitzung der Schuldenproblematik.
Generationenkatastrophe. Zusätzliche 101 Millionen Kinder und Jugendliche fielen unter das Mindestniveau der Lesefähigkeit. Damit wurden die in den vergangenen zwei Jahrzehnten erzielten Bildungsfortschritte zunichtegemacht – „eine Generationenkatastrophe“, so die Autor*innen des Berichts.
Bis zu zehn Millionen Mädchen könnten wegen pandemiebedingter Armut im nächsten Jahrzehnt von Zwangsverheiratungen bedroht sein. Kinderarbeit und Menschenhandel nehmen zu.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat zugenommen; Frauen haben überproportional unter dem Verlust von Arbeitsplätzen und der zunehmenden Pflegearbeit zu Hause gelitten.
Die offizielle Netto-Entwicklungshilfe stieg 2020 zwar um sieben Prozent auf insgesamt 161 Milliarden US-Dollar, bleibt aber immer noch weit hinter dem zurück, was benötigt wird, um auf die COVID-19-Krise zu reagieren und das Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erreichen.
Kraftakt nötig. Der Bericht ruft die Nationen zu verstärkten Anstrengungen auf. Die nächsten 18 Monate seien entscheidend für die globalen Bemühungen, die Folgen der Pandemie rückgängig zu machen und die Maßnahmen zum Erreichen der wichtigsten Ziele voranzutreiben.
Geld ist dabei nicht alles: Auf den politischen Willen zu Veränderungen kommt es an. Doch während die Krise auch die Gelegenheit zu einem grundsätzlichen Kurswechsel bietet, schwinden mit ihr die Ressourcen, um ihn in Angriff zu nehmen.
Die Pandemie ist dabei noch lange nicht vorbei – und auch ihre Folgen werden weiter spürbar bleiben.
Jenseits der Geldmittel ist „gutes Regieren“ entscheidend: Schlecht regierte Länder – die USA (das Erbe der Trump-Administration) vor Brasilien und Indien – verzeichnen die höchsten Opferzahlen. Zusammen stellen sie deutlich mehr als ein Drittel der weltweiten Covid-19-Todesopfer.
Robert Lessmann arbeitet als freier Journalist und Autor in Wien, die Vereinten Nationen sind dabei ein Schwerpunkt.
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