Vor 18 Jahren ergriff die Armee in Burma in einem blutigen Coup die Macht. Sie bereitete damit den Massendemonstrationen für Demokratie, die das Land zuvor praktisch lahmgelegt hatten, ein gewaltsames Ende. Das Militärregime missachtete das Ergebnis der Wahlen vom Mai 1990, die mit einem überwältigenden Sieg der oppositionellen National League for Democracy (NLD) geendet hatten, und klammert sich trotz seiner internationalen Isolierung und wachsenden Drucks etwa durch Sanktionen der EU und der USA an die Macht.
Burma – Myanmar sagen nur die Anhänger des Regimes – ist dem gnadenlosen Regiment der Militärs unterworfen, die beinahe jeden Aspekt des gesellschaftlichen Lebens kontrollieren. Die Wirtschaft wird von der Armee beherrscht, und die Medien unterliegen einer rigiden Zensur. „Im ganzen Land herrscht ein Klima des Schreckens; niemand wagt es, die Junta auch nur irgendwie zu kritisieren, aus Angst, verhaftet zu werden und aufgrund fabrizierter Anklagen jahrelang hinter Gittern zu verschwinden“, sagt Kyi Kyi Mai, die kürzlich aus Rangoon nach Bangkok flüchtete, um der Repression zu entkommen.
Die charismatische Galionsfigur der Demokratiebewegung, Aung San Suu Kyi, befindet sich derzeit unter Hausarrest. Die Oppositionsführerin wird nun seit bereits mehr als zwei Jahren praktisch in Isolationshaft gehalten; außer ihrem Arzt darf sie keinen Besuch empfangen. Im vergangenen Mai erhielt sie überraschend die Erlaubnis, den UN-Gesandten Ibrahim Gambari zu treffen, was zu Hoffnungen Anlass gab, das Regime überlege, sie freizulassen – aber diese Hoffnungen verpufften, als die Behörden ihren Hausarrest für weitere sechs Monate verlängerten.
Aung San Suu Kyi hat mehr als elf der vergangenen 17 Jahre in Haft verbracht. „Das Regime wird sie in keinem Fall freilassen, solange die neue Verfassung nicht fertig ist“, meint ein westlicher Diplomat in Rangoon, der anonym bleiben will. Wie Burmas Außenminister Nyan Win kürzlich beim Treffen der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN in Kuala Lumpur mitteilte, sollte der mit der Ausarbeitung der Verfassung beauftragte Nationalkonvent seine Arbeit Ende nächsten Jahres abschließen. Das würde bedeuten, dass Aung San Suu Kyi zumindest für ein weiteres Jahr unter Hausarrest bleibt.
Wiederholt hat das Militärregime versichert, politische Reformen vornehmen und eine Mehrparteiendemokratie zulassen zu wollen. Vor drei Jahren veröffentlichte die Regierung eine sieben Punkte umfassende „Roadmap“ für den Übergang zur Demokratie. Der Nationalkonvent ist der erste Punkt dieses Plans. „Sobald der Nationalkonvent die Leitlinien der neuen Verfassung fertiggestellt hat, wird es ein Referendum über die neue Verfassung und Wahlen geben“, wie Nyan Win seinen asiatischen AmtskollegInnen versicherte.
Die meisten BeobachterInnen und DiplomatInnen in Rangoon halten den Nationalkonvent jedoch für eine Augenauswischerei, da die meisten pro-demokratischen Parteien, darunter die NLD von Aung San Suu Kyi, davon ausgeschlossen sind. „Der Nationalkonvent und die Roadmap sind nichts als eine Strategie des Regimes, jede politische Reform auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern“, urteilt ein hochrangiger europäischer Diplomat in Rangoon.
Es ist nun ziemlich klar, dass Burmas Generäle keineswegs beabsichtigen, die Macht an eine zivile Regierung zu übergeben. Tatsächlich verstärken sie ihre Kontrolle über Armee und Verwaltung, aus Angst, dass ihnen nach einem Rücktritt Gerichtsverfahren im Stil der Nürnberger Prozesse drohen könnten. Das sei seine Hauptsorge, wie Staatschef General Than Shwe mehrmals gegenüber dem früheren Premierminister Malaysias, Mahathir Mohammad einräumte.
In den letzten beiden Jahren konzentrierte sich die Macht in den Händen einiger weniger Generäle rund um Than Shwe und seinen Stellvertreter Maung Aye, den faktischen Oberbefehlshaber. Dazu gehören die zwölf Generäle des State Peace and Development Council (SPDC) sowie zwölf Regionskommandanten, denen die ländlichen Gebiete unterstehen. Das System beruht auf Patronage und Korruption.
„Macht ist für die Generäle bei weitem das wichtigste Motiv“, meint der unabhängige burmesische Analyst Win Min, der in Chiang Mai im Norden Thailands lebt. „Wenn sie die Macht haben, dann können sie tun und bekommen, was immer sie wollen – Geld, Schmuck und Autos.“ Und der Zugang zur Macht läuft über die Armee, fügt Win Min hinzu: „In Burma sagt man, wenn du Sterne auf der Schulter hast, dann hast du Macht und bist jemand, hast du keine Sterne auf der Schulter, hast du keine Macht und bist niemand.“
Than Shwe, der sich als neuer Monarch des Landes versteht, pflegt eine Leidenschaft für pompöse Luxusresidenzen. „Er braucht das Gefühl, in einem Palast zu leben“, meint ein burmesischer Geschäftsmann, der ihn gut kennt. In seinem jüngst erbauten Wohnsitz in Rangoon gab es mit Jade verkleidete Säulen, doch die erschienen ihm nicht königlich genug. Er gab dann Millionen von Dollar für italienischen Schiefer aus, bevor er sich schließlich für Säulen aus chinesischem Marmor entschied, so ein burmesischer Bauunternehmer. Auch für seine Kinder ließ er großzügige Residenzen errichten.
Alle Top-Militärs und ihre Familien häufen Geld, Schmuck und schnelle, teure ausländische Autos an, die oft aus Thailand geschmuggelt oder aus Singapur importiert werden. Bei der Verhaftung des früheren Landwirtschaftsministers General Nyunt Tin und seines Sohnes im Vorjahr wurden fünf Kisten mit Goldbarren, Diamanten und anderen Edelsteinen beschlagnahmt. Allein der Wert vier großer Diamanten belief sich laut burmesischen Polizeiquellen auf sechs Millionen US-Dollar. Nachbarn berichteten, in die Wände seines eben erst errichteten Hauses wären Gold und Juwelen eingearbeitet worden; die Familie des Generals verfügte über 30 importierte Limousinen.
Die Generäle sind extrem fremdenfeindlich und chauvinistisch. „Sie hängen einem fehlgeleiteten Nationalismus an, mit dem sie versucht haben, ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Dazu gehört der Glaube, alle ausländischen Regierungen hätten irgendwann einmal versucht, den Staat zu spalten oder anderweitig zu untergraben“, erklärt der Burmaexperte Professor David Steinberg von der Georgetown University in Washington. „Die Militärführung hat die Geschichte des Landes umgeschrieben und uminterpretiert, um den Glauben zu untermauern, dass nur sie das Land retten kann, und das in einem Ausmaß, dass sie selbst daran glaubt“, urteilt Steinberg .
„Nationalismus ist eine Rechtfertigung, aber nicht das Motiv, um an der Macht zu bleiben, nachdem sie sich dazu nicht mehr auf den Sozialismus berufen können wie früher Ne Win“ (der 1988 zurückgetretene Staatschef und spätere graue Eminenz der Junta bis etwa 1998; Anm. d. Red.), meint Win Min. „Demokratie oder Föderalismus mögen sie genauso wenig, da sie als ausländische Konzepte gelten. Mit der Förderung eines burmesischen Nationalismus hofft die Junta auch, Aung San Suu Kyi besser anzugreifen zu können, weil sie einen Briten geheiratet hat, und die ethnischen Minderheiten entlang der Grenzen Burmas an den Rand zu drängen.“
Befehlshierarchie ist das Einzige, was die Generäle verstehen. Ihre Loyalität gilt ihren Vorgesetzten; sie wurden darin trainiert, Befehlen vorbehaltlos zu gehorchen. „Die Generäle diskutieren nicht – sie bellen Befehle an ihre Untergebenen“, beschreibt es ein pensionierter Offizier. Than Shwe besteht darauf, als König angesprochen zu werden. Als er bei seinem Staatsbesuch in Indien vor zwei Jahren in der burmesischen Botschaft in Neu-Delhi erschien, mussten alle in Ehrerbietung gegenüber seiner königlichen Stellung am Boden sitzen, erzählten indische Diplomaten.
Wie er mit dem Ex-Premier und Geheimdienstchef General Khin Nyunt umging, der im Oktober 2004 entmachtet und später zu 44 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, erinnert eher an einen absoluten Herrscher denn an einen Militärführer. Tausende AnhängerInnen von Khin Nyunt wurden aus Armee und Regierung gesäubert, hunderte ehemals hochrangige Offiziere des Militärgeheimdienstes zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Vor vier Jahren, als die Generäle gegen die Enkel des früheren Diktators Ne Win vorgingen, verbrachten die drei Top-Generäle – Than Shwe, Maung Aye und Khin Nyunt – eine Woche lang jede Nacht im schwer bewachten Kriegsministerium im Stadtzentrum, da sie fürchteten, Ne Wins Schwiegersohn hätte bei seinem Aufenthalt in Thailand einen ausländischen Killer angeheuert. Than Shwes Angst vor einer möglichen ausländischen Invasion, insbesondere durch die USA, hat ihn sogar dazu motiviert, die Hauptstadt 400 Kilometer Richtung Norden zu verlegen, in die Berge Zentralburmas, um im Falle eines Angriffs sicherer zu sein.
Das Problem ist, dass die nächste Generation von Generälen, die vor ihrer Beförderung in den regierenden SPDC steht, wahrscheinlich ebenso kompromisslos wie ihre Vorgesetzten ist. „Sie sind bloß Klone“, schätzt Win Min. „Ihre Kinder sind bereits korrupt und beherrschen die Unternehmen des Landes.“ Gier und Angst werden wahrscheinlich ihre Ansichten genauso prägen wie die der jetzigen Militärführung. In diesem Fall dürfte der Kampf um Demokratie in Burma nicht so bald zu Ende sein.