Panafrikanische Ideale waren für Ugandas Präsidenten Museveni immer wichtig – aber die Realität war meist weniger schön. Übrig bleibt für den Doyen der Region heute nur noch die Vereinigung Ostafrikas.
Yoweri Museveni hat sich mit seinem Wahlsieg eine neue demokratische Legitimität geschaffen. Darüberhinaus ist er der unangefochtene Doyen der Region, der dienstälteste Präsident im östlichen und südlichen Afrika mit Ausnahme von Robert Mugabe in Simbabwe. Und dieser Vergleich fällt für den Ugander schmeichelhaft aus. Mugabe hat Simbabwe heruntergewirtschaftet und zum Pariah gemacht – Museveni hat mit Uganda das Gegenteil bewerkstelligt.
Als Museveni sich 1986 an der Spitze der NRA an die Macht kämpfte und eine Zeit der Wirren beendete, war das nicht nur für Uganda wichtig. In seinen Memoiren „Sowing the Mustard Seed“, in etwa „Die Saat des Senfsamens“, betont Museveni regelmäßig die panafrikanischen Verknüpfungen seines Kampfes – vor allem mit Tansania, wo er zusammen mit anderen afrikanischen 68ern studierte, und mit Mosambik, dessen Befreiungsbewegung FRELIMO er nahestand. Die Idee, dass bewaffnete Kämpfer mit der richtigen Taktik und Führung an die Spitze postkolonialer Staaten treten und dort gescheiterte zivile Unabhängigkeitsbewegungen ablösen können, war Musevenis besonderer Beitrag zum Umgang mit der afrikanischen Staatskrise der 1980er Jahre. Er sollte bald von Äthiopien bis Ruanda Nachahmer finden. Gerne hätte sich Museveni als ideologischer Pate dieser neuen Generation afrikanischer Führer gesehen, so wie vor ihm Tansanias Julius Nyerere einer war.
Das hat nie richtig geklappt. Musevenis Weg des „Nichtparteiensystems“, in dem die einstige Guerillabewegung als „Nationale Widerstandsbewegung“ (NRM) zur faktischen Einheitspartei wird, wenn auch ohne Pomp und Ideologie, und ihre Strukturen identisch werden mit denen der Kommunalverwaltung, war zu spezifisch ugandisch für den Export. Nicht einmal im Nachbarland Ruanda haben die Regierenden um Paul Kagame, die in Uganda aufwuchsen und in Musevenis Armee kämpften, das kopiert. Und selbst in Uganda ist das „Movement-System“ mit der Einführung des vollen Mehrparteiensystems heute vorbei.
Seinen Kredit hat Museveni aber auch anderweitig verspielt. Als Uganda 1996 bis 1997 zusammen mit zahlreichen anderen afrikanischen Regierungen half, die Diktatur von Mobutu Sese Seko in Zaire durch die von Laurent-Désiré Kabila in der Demokratischen Republik Kongo zu ersetzen, war dies Anlaß für großspurige Träume, einen einheitlichen Wirtschaftsraum vom Atlantischen zum Indischen Ozean zu schaffen. 1998 bis 2002 stand die ugandische Armee im gesamten nördlichen Drittel des Kongo, auch in den unwegsamen Sumpfgebieten des Kongobeckens. Sie fand sich da unter anderem der Armee Simbabwes gegenüber. Ugandische Offiziere, weit weg vom Adlerauge ihres Oberkommandierenden Museveni, bastelten sich gemeinsam mit skrupellosen Kongolesen private Handelsreiche. Ugandas Armee wurde zum Inbegriff von Völkerrechtsbruch und Korruption.
Damit fiel die wichtigste Säule, auf der Museveni seinen Machtanspruch gründete. Für Ugandas Generäle wurden die lukrativen Kongo-Geschäfte zum Maßstab auch für den endlosen Krieg im Norden des eigenen Landes. Dort stellte die brutale christlich-fundamentalistische „Widerstandsarmee des Herrn“ (LRA), von Sudan ausgerüstet, zwar einen gefährlichen Gegner. Aber auch das Militär trug dazu bei, mit dem Abzweigen von Sold aus dem Verteidigungshaushalt und dem Aufbau paralleler privater Wirtschaftsinteressen den Krieg zum Dauerzustand zu machen.
All das passt so gar nicht zum Modernisierungsanspruch Musevenis. Entweder war der also nur Fassade – oder der Präsident war machtlos gegenüber dem Agieren seiner Untergebenen. Beides wäre wenig schmeichelhaft, und das erklärt auch die allmähliche Entzauberung des Mythos Museveni beim eigenen Volk. Von seinem ideologischen Erbe bleiben nur Dinge, die in Afrika sowieso heute Allgemeingut sind: Blockfreiheit, Exportorientierung, Notwendigkeit einer raschen Modernisierung, Skepsis gegenüber formaler westlicher Demokratie – und das letzte verbleibende Zukunftsprojekt: die regionale Integration.
Auf Fragen, wieso er denn unbedingt noch länger Präsident bleiben wolle, hat Museveni neben Hochmut gegenüber möglichen Konkurrenten immer eines in den Vordergrund gestellt: das Projekt, Ostafrika zusammenzuführen. Die „Ostafrikanische Gemeinschaft“ (EAC) ist der eine große unerfüllte Traum, der von der Idee der panafrikanischen Revolution übriggeblieben ist. In ihr sollen perspektivisch Uganda, Kenia und Tansania – die einstigen Teilstücke von Britisch-Ostafrika – zu einer Föderation zusammenwachsen. Politische Eifersüchteleien bleiben – sobald eines der drei Länder plötzlich enthusiastisch darüber wird, werden die anderen beiden misstrauisch – aber in Wirtschaft und Gesellschaft ist das längst Realität.
In keinem Teil Afrikas, nicht einmal mehr in den frankophonen Staaten Westafrikas, ist das kulturelle und intellektuelle Leben so eng zwischenstaatlich verwoben wie in Uganda, Kenia und Tansania. Dar es Salaam in Tansania und Mombasa in Kenia sind die Tore zur Welt nicht nur für die jeweiligen Länder, sondern auch für Ruanda, Burundi, den Osten der DR Kongo und den Süden Sudans. Mit fortschreitender Befriedung der Region und wirtschaftlicher Blüte steigt der Bedarf an neuer Transport- und Energieinfrastruktur im regionalen Rahmen immens – Autobahnen, Eisenbahnen, Ölpipelines, Telefonnetze. Ein integriertes Ostafrika als Träger eines Wirtschaftswunders entspricht den Visionen Musevenis, der in seinen Memoiren schreibt: „Anders als der Westen uns glauben machen will, sind die meisten afrikanischen Länder unterbevölkert“ – und davon träumt, dass dicht besiedelte Länder, deren neue Generationen frei sind von alten afrikanischen Traditionen, so wie Asien den Weg zur Moderne finden.
Doch ob Museveni der Richtige dafür ist, dies umzusetzen? Über die Hälfte der ostafrikanischen Bevölkerung heute war noch gar nicht geboren, als 1986 die NRA in Kampala einmarschierte. Sie wird ihre eigenen Führer suchen.