50 Millionen Euro Katastrophen- und Wiederaufbauhilfe sagte die österreichische Bundesregierung wenige Tage nach der Tsunami-Katastrophe vor einem Jahr zu.
20 Millionen davon sind jedoch nirgends auszumachen.
Von der groß angekündigten Hilfe des offiziellen Österreich sollten sechs Millionen Euro die Gemeinden aufbringen, zehn die Länder und die restlichen 34 der Bund. Acht Millionen, die bereits am 29. Dezember vom Ministerrat als Soforthilfe genehmigt wurden, sind in dieser Summe bereits enthalten.
Als Koordinator für die Tsunami-Hilfe wurde Ex-Innenminister Ernst Strasser eingesetzt, der dafür ein Büro und einen Stab im Innenministerium zugeteilt bekam. Diese Stelle, die de facto von Doris Ita geleitet wird, beschränkt sich allerdings darauf, die von den verschiedenen Ministerien, Ländern und Gemeinden eingemeldeten Daten zu erfassen und in Zwischenberichten öffentlich zu machen. Wie die versprochene Gesamtsumme aufgebracht werden soll und aus welchen Töpfen welcher Ministerien noch eingezahlt wird, konnte trotz mühsamer Recherchen nicht ermittelt werden. Denn bis Redaktionsschluss dieser Nummer Mitte November fehlten rund 20 Millionen Euro vom Bund.
Die größten Brocken der geleisteten Hilfe entfallen mit veranschlagten vier Millionen Euro auf das Bundesheer und mit fünf Millionen auf das Infrastrukturministerium, das die ÖBB mit der Durchführung beauftragte. Die Armee hatte sechs Wochen 80 Mann für Trinkwasseraufbereitung in der Region Galle an der Südküste von Sri Lanka im Einsatz. Täglich wurden rund 50.000 Liter Wasser für einen Einzugsbereich von 40.000 bis 75.000 Menschen gefiltert.
Das Infrastrukturministerium sandte eine Expertenkommission zur Evaluierung der Schäden an der Bahnlinie Colombo-Galle-Matara im Südwesten Sri Lankas und schickte Zelte, Hausrat und Spielzeug für die Überlebenden in der Umgebung von Galle. Von anderen Ministerien wurden vergleichsweise kleine Projekte gemeldet. Das Bildungsministerium beschränkte sich auf einen Spendenaufruf und die Koordinationsfunktion für die Anbahnung von Schulpartnerschaften. Das Wirtschaftsministerium baut für eine Million Häuser, das Landwirtschaftsministerium hat 1,32 Millionen in den Regionalfonds des Welternährungsprogramms eingeschossen und plant, 690.000 Euro in die Aufforstung der Mangrovenwälder, die als Puffer für Fluten fungieren, zu stecken. Das Außenministerium muss kein frisches Geld in die Hand nehmen, es widmet aus bestehenden Töpfen 2,1 Millionen für die Kofinanzierung von Projekten in der betroffenen Region. Und das Bundeskanzleramt finanziert einen Schwimmkurs für Frauen in Südindien. Kostenpunkt: 10.000 Euro.
Alles zusammen beläuft sich somit die offizielle österreichische Katastrophenhilfe auf grob 14 Millionen Euro.
Die Gemeinden hatten bis Juni – das sind die jüngsten vorliegenden Zahlen – 2,77 Millionen Euro für mehr oder minder konkrete Projekte verplant. Davon kommen fast zwei Millionen vom Gemeindebund, der die Öffentlichkeit um Spenden gebeten hatte. Die meisten Städte bauen Dörfer. Auch die Bundesländer betätigen sich in erster Linie als Häuselbauer. Fast jedes hat sein Dorf gefunden, dessen Wiedererstehen nicht zuletzt von der lokalen Bürokratie vor Ort abhängt.
Kärnten, das bei Banda Aceh auf Sumatra baut, meldete zuletzt einen Baufortschritt von drei Viertel, wobei weniger als ein Drittel der veranschlagten 1,1 Millionen Euro ausgegeben wurden. Die Eigenmittel von knapp 700.000 Euro stammen aus dem landeseigenen Katastrophenfonds.
Insgesamt haben die Länder ihre Vorgabe von zehn Millionen, verteilt über drei Jahre, fast erfüllt oder zumindest verplant. Manche der Gebietskörperschaften gründeten eigene NGOs, die vor Ort über die Abwicklung wachen. Die meisten arbeiten aber mit bestehenden Organisationen, die über Erfahrung und Infrastruktur in den Ländern verfügen.
Jedes Ministerium, jedes Land, jede Gemeinde hat einen Beamten oder eine Beamtin genannt, die/der für die Tsunami-Hilfe zuständig ist. Allerdings verweisen manche an die jeweilige Pressestelle, die dann bestenfalls auf die Homepage weiter verweist, wo in der Regel bunte Fotos und wenig konkrete Zahlen zu finden sind. Über die fehlenden 20 Millionen kann niemand Aufschluss geben. Botschafterin Irene Freudenschuss-Reichl, Sektionsleiterin im Außenministerium für Entwicklungszusammenarbeit, hat versucht, sich einen Überblick zu verschaffen, da sie davon ausgeht, die Koordination zu erben, wenn das Strasser-Büro aufgelöst wird. Sie hat aber keine Kompetenz, andere Stellen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. Für den doch bedeutenden Fehlbetrag hat sie nur die Erklärung, dass die Ministerien wegen ihrer einjährigen Budgetzyklen noch nicht alles hätten verplanen können. Allerdings beziehen sich die meisten der Angaben auf die Jahre 2005 bis 2007 und die jeweils genannten runden Summen legen nahe, dass es sich um Gesamtkosten, nicht Teilbeträge handelt.
Die Tsunami-Hilfe hat auch bereits den Rechnungshof auf den Plan gerufen. Der hat sich zwar mehr für die konkrete Projektabwicklung interessiert, über die er im Frühjahr 2006 einen Zwischenbericht vorlegen will, doch wird er auf Ansuchen der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungspolitik (AGEZ) auch versuchen, die Vollständigkeit der versprochenen Zahlungen sicherzustellen. AGEZ-Vorsitzende Elfriede Schachner: „Wir haben deponiert, dass die 34 Millionen, die vom Bund zugesagt wurden, verfolgt werden müssen: Es handelt sich dabei um Steuermittel, das braucht Transparenz, schließlich wird diese auch von den NGOs verlangt.“ Nach ihrem Kenntnisstand aus dem Sommer waren überhaupt erst acht Millionen nachvollziehbar verplant. Was verplant ist, muss aber noch lange nicht tatsächlich vorhanden sein. Denn selbst längst geleistete Zahlungen wurden teilweise noch nicht ersetzt. So mussten etwa die ÖBB die fünf Millionen Euro Soforthilfe aus eigenen Mitteln vorschießen und warten noch heute auf die Überweisung vom Infrastrukturminister.