Nachhaltig verkauft

Von Redaktion · · 2005/11

Mauschelgeschäfte, Personalkarussell – einige etablierte Umweltorganisationen nehmen sich aus wie Vorfeldorganisationen von Konzernen, meint New Internationalist-Autorin Sharon Beder.

Wem es als Widerspruch erscheint, dass die US-Umweltorganisation The Nature Conservancy (TNC) im letzten bekannten Brutgebiet des Attwater-Präriehuhns nach Erdgas bohrt, lebt hinter dem Mond. Denn die Zeiten, als UmweltschützerInnen sich vor Bulldozer warfen, um die Umwelt vor der Geldgier von Konzernen zu schützen, sind vorbei. Heute überschütten die selben Konzerne Umweltorganisationen mit Geld. Moderne, professionelle Karriere-UmweltschützerInnen tragen Aktenkoffer statt Transparente, und sie fühlen sich wohler, wenn sie mit Regierungs- und Unternehmensvertretern verhandeln als an der Frontlinie von Umweltkonflikten.
Ende der 1960er Jahre und in den 1970ern vertraten UmweltschützerInnen den Standpunkt, dass ein weiteres exponenzielles Wachstum und die damit verbundene Umweltverschmutzung die Ressourcen des Planeten erschöpfen und überfordern würde. Sie zögerten nicht, die Industrie, die westliche Kultur, das Wirtschaftswachstum und die Technik für die Umweltprobleme verantwortlich zu machen. Sie stellten westliche Paradigmen in Frage und kritisierten die Ungleichheit der Vermögensverteilung und des Ressourcenverbrauchs. Dann kam die „nachhaltige Entwicklung“. Sie versprach, dass UmweltschützerInnen und Unternehmen ihre bisherigen Konflikte überwinden und gemeinsame Ziele verfolgen könnten. Von Technik und Industrie, den früheren Bösewichten, wurde nun erwartet, Lösungen für Umweltprobleme zu liefern.
Nachhaltige Entwicklung ist die Suche nach „Win-Win“-Lösungen für Umweltprobleme, die sich nicht allzu störend auf das Geschäftemachen auswirken. Die Kritik am exzessiven Konsum und grenzenlosen Wachstum der modernen Gesellschaft ist verschwunden. Stattdessen propagieren WirtschaftsexpertInnen aus Instituten, die von Unternehmen finanziert werden, den Umweltschutz durch die „Nutzung der Marktkräfte“ voranzutreiben. Wenn wir der Umwelt einen monetären Wert geben, so die Argumentation, dann wird das die Unternehmen motivieren, sie zu bewahren anstatt sie auszubeuten.

Was TNC tut, entspricht dieser Ansicht. Die Organisation nutzt die Marktkräfte, um das Land zu kaufen, das sie schützen will. Mit den Worten des früheren TNC-Chefs John Sawhill: „Einige Leute bei Conservancy glauben, unsere Kunden wären die Pflanzen und Tiere, die wir zu retten versuchen, doch unsere wirklichen Kunden sind die Spender, die unser Produkt kaufen, und dieses Produkt besteht aus geschützten Landschaften.“
TNC verfolgt einen Zugang, der die Verfügungsrechte der EigentümerInnen nicht bedroht. Anstatt sich bei der Regierung für neue Umweltvorschriften einzusetzen oder die umweltgefährdenden Aktivitäten von Unternehmen aufzudecken, sucht TNC nach Lösungen, die keine Bedrohung für diese Unternehmen darstellen. Zwar versucht TNC, Waldgebiete zu erhalten, wendet sich aber öffentlich nicht gegen Praktiken wie Kahlschlag. Die Organisation bewahrt Land für Grizzlybären, bekämpft aber weder die Jagd noch andere Entwicklungen, die diese Bären bedrohen und ihren Lebensraum zerstören. Selbst auf einem Teil ihres eigenen Landes ist Jagen erlaubt, und es ist gut möglich, dass leitende TNC-MitarbeiterInnen im Rahmen der Verhandlungen gemeinsam mit potenziellen Spendern auf die Jagd gehen.
Dieser Zugang ist für Unternehmen attraktiv: Sie wissen, dass TNC nicht hinterrücks über die schlechte Umweltbilanz oder die umweltschädigenden Aktivitäten eines Unternehmens herziehen wird. Mehr noch, TNC nimmt fraglos Spenden von jedem Unternehmen entgegen, ungeachtet der Umweltbilanz. Im Gegenzug verspricht TNC, sie als Unternehmen zu bewerben, die sich um die Umwelt kümmern. Rund 1.900 Unternehmen unterstützen TNC, darunter BHP, BP, Chevron, Chrysler, Coca-Cola, Dow Chemical, DuPont, General Electric, General Mills, General Motors, Georgia-Pacific, McDonald’s, Mobil, NBC, Pepsi-Cola, Procter and Gamble, Toyota und Pfizer. Einige davon, darunter Monsanto, können über ihre Mitgliedschaft im International Leadership Council von TNC sogar Einfluss auf die Arbeit der Organisation ausüben.
Ein solcher Zugang macht sich bezahlt. TNC beschäftigt 3.200 MitarbeiterInnen in 528 Büros in den USA und in weiteren 27 Ländern. 2004 beliefen sich die Einnahmen auf 866 Millionen US-Dollar, davon 350 Mio. aus Beiträgen und Spenden, 180 Mio. aus Kapitalanlagen, an die 100 Mio. aus Regierungssubventionen und weitere 100 Mio. aus dem Verkauf von Land. Der Wert der gesamten Aktiva einschließlich der Schutzgebiete wird derzeit auf vier Mrd. Dollar geschätzt.

TNC gibt an, allein in den USA mehr als 60.000 km2 und weitere 400.000 km2 in anderen Ländern geschützt zu haben. Allerdings werden mehrere tausend Quadratkilometer der empfindlichen Ökosysteme, die von TNC in den USA „geschützt“ werden, auch als Viehweiden, zur Ölförderung, forstwirtschaftlich, landwirtschaftlich oder für andere Zwecke genutzt. Forstunternehmen wie Weyerhaeuser und Georgia Pacific dürfen in einigen Teilen der TNC-Schutzgebiete Holz fällen. In manchen Fällen bezahlt TNC Rancher und Farmer sogar dafür, das Land weiter zu bewirtschaften.
TNC will zeigen, dass in privaten, mehrfach genutzten Schutzgebieten nachhaltig Forstwirtschaft oder Viehzucht betrieben und nach Öl gebohrt werden kann. Viele KritikerInnen werfen der Organisation jedoch vor, dabei den Umweltschutz oft leichtfertig hintanzustellen und Aktivitäten zuzulassen, die die Integrität der Schutzgebiete beeinträchtigen und gefährden. Auch einige der TNC-WissenschaftlerInnen selbst gaben das zu, etwa Jerry Freilich. Als wissenschaftlicher Leiter von TNC war ihm klar, dass trampelnde Hufe von Rinderherden imstande sind, empfindliche Ökosysteme zu ruinieren. Im Jahr 2000 jedoch wurde er nach eigenen Angaben von seinem Chef physisch dazu gezwungen, mit seiner Unterschrift Viehfarmen als umweltverträglich zu zertifizieren, die er nie besucht hatte. Er unterschrieb, kündigte und machte eine Anzeige, die ein Jahr später zu einem Vergleich mit TNC führte. Mit Ausnahme von drei WissenschaftlerInnen wurde danach der gesamte 95-köpfige wissenschaftliche Stab im Hauptsitz in Filialen verlegt bzw. einer neuen Organisation zugeteilt, die für TNC arbeitet und die biologischen Daten der Organisation vermarktet.

Spenden sind nur eine der Methoden, mit denen Unternehmen die Arbeit von Umweltorganisationen beeinflusst haben. Eine andere ist der Personalaustausch zwischen der Welt des Business und der des Umweltaktivismus. Etwa wechselte der frühere Ökonom Thilo Bode aus der Industrie in den Chefsessel bei Greenpeace, und Personen wie Paul Gilding, Ex-Chef von Greenpeace International und Patrick Moore, einer der Gründer der Organisation, waren nach ihrem Abgang als Konsulenten der Industrie erfolgreich. Das heutige Rezept lässt sich der Website von Greenpeace Australien entnehmen: „Wir arbeiten mit der Industrie und der Regierung zusammen, um Lösungen zu finden.“ Mit dem früheren Konzept, als Greenpeace noch das Umweltbewusstsein an der Basis fördern wollte, scheint das nicht mehr viel gemein zu haben.
Offensichtlich wurde der Wandel von Greenpeace im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2000, die in einer ehemaligen Giftmülldeponie an der Homebush Bay in Sydney stattfanden. Mit Hilfe von Greenpeace konnten die Veranstalter die Spiele als „grün“ vermarkten. Dass Greenpeace jahrelang gegen Giftmülldeponien gekämpft und nun doch diesen Standort befürwortete, beruhigte alle, die andernfalls Bedenken gehabt hätten. Gemäß dem von Greenpeace unterstützten Entwicklungsplan wurden die giftigen Abfälle jedoch weder beseitigt noch behandelt, sondern einfach an einigen Stellen des Standorts konzentriert, mit einem Meter Erde bedeckt und begrünt. Entwässerungsrohre sollten allfällige giftige Abwässer aus den Abfallhügeln abfangen. Doch wie der Leiter der Giftmüllkampagne von Greenpeace Australien, Robert Cartmel zugab: „Es ist keine Frage ob, sondern wann es zum Auslaufen giftiger Stoffe kommt. So etwas wie eine sichere Mülldeponie gibt es nicht.“
Für Greenpeace war die Beteiligung an einem Vorzeigeprojekt wie dem Olympischen Dorf eine Chance, sich ein neues Image zu geben. Anstatt als Warnerin vor Umweltproblemen würde „Greenpeace neu“ als Organisation gesehen werden, die Lösungen liefert. Insofern war es zweckdienlich, den Giftmüll zu ignorieren. Die Mitwirkung an der Bewerbung von Sydney ging bald über das bloße Ideenliefern hinaus. Karla Bell, bei Greenpeace Australien Kampagnenleiterin für städtische Gebiete und Küsten und beteiligt an der Formulierung von Umweltrichtlinien für die Spiele, wurde zu deren lautstarken Befürworterin. Nach den Spielen verließ sie Greenpeace und beriet Unternehmen, die sich um Bauaufträge für zukünftige Olympische Spiele bewerben. Die Veranstalter der Spiele hatten aber nach Ansicht von Jeff Angel, Direktor der Umweltorganisation Total Environment Centre in Sydney, wesentliche Umweltprobleme ignoriert: „Der Zustand der Umwelt in Sydney wurde in erheblichem Ausmaß falsch dargestellt.“

Unternehmen und ihre Magazine bezeichnen Greenpeace heute als „reif“. „Reif“ ist auch ein Wort, das der frühere Greenpeace-Aktivist und nunmehrige Unternehmensberater Michael Bland verwendet. Heute, so Bland, sei der Zugang der Organisation „differenzierter“: Er anerkenne „das Potenzial, in geeigneten Fällen die Marktkräfte zu nutzen“. Bland, vormals verantwortlich für die Greenpeace-Kampagne zu den Olympischen Spielen, wurde danach Leiter der Umweltkommunikation von „Sydney 2000“, dem PR-Unternehmen für die Spiele, und arbeitete zuletzt als Medienverantwortlicher einer neuen Autobahngesellschaft in Sydney.
Eine Kombination von Faktoren, darunter Spenden von Unternehmen, aussichtsreiche Karrierechancen und die Illusion der „Win-Win“-Lösungen hat die Fähigkeit vieler etablierter Umweltorganisationen untergraben, gegen die Ursachen der Umweltzerstörung vorzugehen und Strategien anzuwenden, die Änderung versprechen. Einige dieser Gruppen sind heute kaum mehr als Vorfeldorganisationen im Dienste der Interessen der großen Konzerne.
Copyright New Internationalist

Sharon Beder ist Autorin mehrerer Bücher, darunter „The Nature of Sustainable Development“ und „Global Spin: The Corporate Assault on Environmentalism“. Sie ist Professorin für Science und Technology Studies an der University of Wollongong, Australien.

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