Frauenpower für Menschenrechte

Von Clara Baroli · · 2005/10

Seit drei Jahren ist der Internationale Frauen-Friedensdienst (IWPS) in Palästina tätig. Dort werden einheimische Bemühungen in Richtung gewaltfreie Friedensinitiativen unterstützt – und so nebenbei werden die palästinensischen Bauern bei der Ernte und Vermarktung von Olivenöl unterstützt.

Olivenbäume nahe an israelischen Siedlungen und an der von Israel gebauten Mauer sind für palästinensische Bäuerinnen und Bauern nur schwer oder gar nicht zugänglich: Bewaffnete israelische Siedler hindern die erntenden palästinensischen Familien oft mit Gewalt daran, ihre Haine zu betreten und ihre von Generation zu Generation vererbten Bäume abzuernten. Deshalb organisiert International Women’s Peace Service einen Begleitservice. IWPS ist eine internationale Frauenorganisation zur Entwicklung und Umsetzung gewaltfreier Methoden zur Konfliktregelung.
Die Bäuerinnen und Bauern kennen die Telefonnummer des IWPS-Hauses in der Region Salfit in der nördlichen Westbank. Wenn etwa Mohammad Obeid aus der kleinen Ortschaft Yasouf anruft, kann er auf konkrete Hilfe zählen. Er hat Angst: „Sie sind wieder da! Die Siedler von Tapuach sind wieder auf meinem Land, pflücken meine Oliven und bedrohen meine Familie mit Gewehren.“
Die Olivenkampagne ist nur eine der IWPS-Aktivitäten. Das Frauenteam arbeitet seit August 2002 im Bezirk Salfit. Das ganze Jahr über dokumentiert IWPS Menschenrechtsverstöße und versucht, Gegenöffentlichkeit zu schaffen: Gerade jetzt, wo die Aufmerksamkeit der Welt und der Medien auf den Gaza-Abzug gerichtet ist, werden mitten in der Westbank, in Salfit, zahlreiche Bäume für den Mauerbau entwurzelt.
Einige palästinensische Gemeinden hatten eine Verfügung erreicht, die den Mauerbau gestoppt hatte, da diese dort bis zu 25 km innerhalb der „Grünen Linie“ (der 1948 festgelegten Grenze zwischen Israel und der Westbank) verläuft. Doch Mitte Mai hatte das Israelische Höchstgericht diese Verfügung wieder aufgehoben.

Hannah ist eine 25-jährige US-Bürgerin jüdischer Herkunft. Nach ihrem Studium in den Vereinigten Staaten hat sie die letzten zehn Monate als Mitarbeiterin von IWPS in Palästina verbracht. Sie möchte in Zukunft ihre Zeit zwischen dem Nahen Osten und den USA teilen und auf beiden Seiten des Ozeans für Frieden und Gerechtigkeit arbeiten. Die Britin Angie Zelter ist 54 und eine der Gründerinnen von IWPS. Die Großmutter ist eine langjährige Friedensaktivistin, die für ihr Engagement schon sechs Monate im Gefängnis verbrachte. 1997 gründete sie Trident Ploughshares, eine mittlerweile in 20 Ländern vertretene Organisation gegen Nuklearwaffen, die 2001 den Alternativen Nobelpreis erhielt.
IWPS-Palästina erstellt in Kooperation mit lokalen Frauengruppen Dorfprofile, die aufzeigen, welche Auswirkungen die Mauer auf das Leben der Bevölkerung hat. Wie kann ein Dorf überleben, wenn das Krankenhaus kilometerweit umfahren werden muss? Wie viele werden wohl auswandern müssen, um das Überleben ihrer Familien zu sichern? Was für Alternativen gibt es?
Durch die enge Zusammenarbeit während der letzten Jahre hat sich eine palästinensische Frauenorganisation gebildet, die sich nun eigenständig politisch engagiert und gemeinsam mit Frauen aus Israel und aus aller Welt Wege des gewaltfreien Widerstands gegen Mauer und Besatzung sucht.

Zusammen mit Friedensorganisationen in Palästina und Israel arbeitet IWPS daran, ein internationales Netzwerk zu bilden. Dabei versteht sich der Frauen-Friedensdienst auch als Bindeglied zwischen zwei sich immer fremder werdenden Völkern: Viele Israelis fürchten Palästinenser als Terroristen; gleichzeitig erleben Palästinenser Israelis nur als Besatzer.
Im Projekt „Mikarov“ geht es darum, die Spirale der Angst und die dadurch entstehende Perspektivlosigkeit zu überwinden. Das hebräische Wort mikarov bedeutet so viel wie „verwandt“ oder „näher hinschauen“. Das Projekt ermöglicht es Israelis, für einige Tage in die Westbank zu kommen und mit PalästinenserInnen die Auswirkungen der Besatzung zu erleben. Ziel des Projekts ist, dass die israelischen Teilnehmerinnen ihre Erfahrungen als Botschafterinnen in der israelischen Gesellschaft verbreiten.
Die Frauen von IWPS kommen aus 16 verschiedenen Ländern. Sie sind zwischen 23 und 67 Jahre alt; es sind Jüdinnen, Christinnen, Musliminnen, Buddhistinnen oder Atheistinnen. Sie stammen aus Japan, Südafrika, den Philippinen, aus der Karibik, Europa und Nordamerika – aus fast allen Teilen der Welt und aus allen Bevölkerungsschichten.
Frauen aus dem Kernteam kommen jedes Jahr zwischen drei bis sechs Monate ins IWPS-Haus im Bezirk Salfit. Salfit ist der ländlichste Bezirk der Westbank, der nicht nur den höchsten Anteil an Olivenhainen hat, sondern auch die höchste Konzentration an israelischen Siedlungen.
Außerdem engagieren sich Freiwillige aus aller Welt für IWPS. Sie kommen für kurze Zeit zum Einsatz nach Palästina und helfen dann in ihrem Heimatland mit Übersetzungen, Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, Spendenaufbringung u.ä.
Am Olivenernteeinsatz können auch Männer teilnehmen. In diesem Herbst werden wieder Gruppen aus verschiedenen Ländern zur Ernteunterstützung in den Dörfern erwartet.

Viele ÖsterreicherInnen zeigten sich als äußerst aktiv und gastfreundlich, als sich IWPS-Mitarbeiterinnen aus der ganzen Welt in der zweiten Augusthälfte auf einem Berghof in Vorarlberg zu einem Treffen und Training versammelten. Die tagelangen Regenfälle hatten die Aktivistinnen wohl von der Umwelt abgeschnitten, doch kämpften sich Einheimische zu dem Hof durch und versorgten sie mit den notwendigen Gütern.
Auch heuer werden wieder ÖsterreicherInnen nach Palästina auf Einsatz gehen. Mitte Oktober findet in Linz ein zweiwöchiges Vorbereitungsseminar statt. „Wir wollen den Palästinensern signalisieren, dass sie in der Welt nicht vergessen sind“, begründet die Oberösterreicherin Angelika Grandy ihren letztjährigen Ernteeinsatz. Neben Grandy und zehn weiteren TeilnehmerInnen gehörten der Zivildiener Sebastian Kelcher und die pensionierte Therapeutin Hildegard Feuerstein aus Vorarlberg dem Team 2004 an.
Doch mit der Hilfe bei der Ernte ist es nicht genug. Von den 36.000 Tonnen des jährlich geernteten Öls wird nur ein Drittel im Land konsumiert. Der Rest wartet auf internationale Abnehmer. IWPS koordiniert den Export der hochwertigen Ware mit Organisationen des Fairen Handels in verschiedenen Ländern. Für Österreich ist es die Eine-Welt-Handel AG in Leoben. Seit bald zwei Jahren gibt es das „Olivenöl aus Palästina“ (siehe auch SWM Nr.9/05 S.6) in den Weltläden zu kaufen; schon über 18 Tonnen Olivenöl sind auf diese Weise in Österreichs Küchen gelandet.


Für den Olivenernteeinsatz werden Anmeldungen noch bis zum
15. Oktober 2005 entgegengenommen. Nähere Informationen über iwpseurope@gmx.net und www.iwps.info

Die Autorin ist seit mehreren Jahren für IWPS-Palästina aktiv und lebte längere Zeit in der Westbank. Zum Mauerbau vgl. die Rezension auf S. 39 („Die Mauer“).

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