Der streitbare Soziologe Jean Ziegler hat sich in seiner Heimat Schweiz schon viele Feinde gemacht – und Gerichtsverfahren angehängt bekommen.
Vaterlandsverräter, Bolschewist, Nestbeschmutzer, Psychopath. So wird Jean Ziegler seit Jahrzehnten von seinen Gegnern genannt. Dennoch hat ihn UN-Generalsekretär Kofi Annan bereits zum zweiten Mal zum Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung ernannt.
Der engagierte Streiter gegen die Gewinnsucht des Kapitalismus, Aufklärer und Provokateur wurde am 19. April 1934 in Bern geboren. Bis vor zwei Jahren lehrte er Soziologie an der Universität Genf. Er ist heute noch ständiger Gastprofessor an der Sorbonne in Paris und war bis 1999 sozialdemokratisches Mitglied des Schweizer Nationalrates.
Als Bestsellerautor kritischer politischer Bücher wie „Die Schweiz wäscht weißer“, „Die Schweiz, das Gold und die Toten“, „Die Barbaren kommen“, „Wie kommt der Hunger in die Welt?“, Das Gold von Maniema“ oder zuletzt „Die neuen Herrscher der Welt“ genießt er internationales Ansehen. Besonders durch sein Buch „Die Schweiz wäscht weißer“, in dem er das Schweizer Bankwesen als korrupten Filz beschreibt, haben ihn mehrere Institutionen, zum Teil erfolgreich, verklagt.
Jean Ziegler wurde in jungen Jahren geprägt von seiner Freundschaft mit Jean-Paul Sartre. Ein zweijähriger Afrika-Aufenthalt Anfang der 1960er Jahre als UN-Experte im Kongo veränderte sein Leben nachhaltig. Das Elend, das er dort nach der Ermordung des Staatschefs Patrice Lumumba gesehen hatte, führte ihn zu einer radikalen Änderung seiner Grundauffassungen: „Damals habe ich mir geschworen, nie wieder, auch nicht zufällig, auf der Seite der Henker zu stehen.“ Jean-Paul Sartre war es auch, der ihn zur Veröffentlichung seines ersten Buches „Die Gegenrevolution in Afrika“ anregte, und schrieb dazu das Vorwort. 1964 lernte er Che Guevara kennen und beschäftigte sich sogar mit dem Gedanken, nach Kuba auszuwandern. Als er Guevara in Genf traf, riet ihm dieser jedoch davon ab: „Hier ist das Gehirn des Ungeheuers. In der Schweiz ist dein Platz, hier musst du kämpfen.“
Und er kämpft bis heute unermüdlich gegen die Oligarchen, die das globalisierte Finanzkapital kontrollieren. Er kämpft gegen jene Protagonisten des Raubtierkapitalismus, die durch ihre grenzenlose Gewinnsucht den Nationalstaat zerstören und korrumpieren, die Raubbau an der Natur treiben und die die Mehrheit der Menschen durch Hunger, Durst und Seuchen ins Elend treiben. Sein Buch „Wie kommt der Hunger in die Welt?“ ist bereits in Frankreich in den Oberstufen der Gymnasien als Schulbuch im Einsatz.
Die Chancen der Zukunft liegen für Jean Ziegler in den „planetarischen Zivilgesellschaften“, denen sich jeder Einzelne, der etwas verändern will, anschließen kann. Sei es Attac, Greenpeace oder amnesty international etc. Der 70-jährige lebensbejahende Charmeur hat noch viel vor in seinem Leben. Sein Kampf gegen den „Genozid des Hungers“, für Gerechtigkeit und politische Reformen ist noch lange nicht zu Ende: „Mein Ziel ist es, die Strategien, die die Frauen und Männer in den versklavten Ländern um ein menschenwürdiges Leben bringen, immer wieder durchschaubar zu machen, die Henker beim Namen zu nennen und zum Widerstand aufzurufen.“ Jean Ziegler verfügt über kein Patentrezept für eine gerechtere Welt, doch er hat die Kraft, Menschen wachzurütteln und zu motivieren.