Die laufenden GATS-Verhandlungen rufen es in Erinnerung: Liberalisierung nutzt den Reichen.
Wer für ‚fair trade‘ mit Entwicklungsländern ist, kann nicht gegen das GATS sein“, sagt Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, dessen Haus in Österreich für GATS zuständig ist.
Aus entwicklungspolitischer Sicht ist dem heftigst zu widersprechen. Auch dann, wenn wir davon ausgehen, dass Bartenstein mit „fair trade“ nicht den fairen Handel (ökologische und soziale Mindeststandards und faire Produzentenpreise für Entwicklungsländer) gemeint hat, sondern „faire“ Handelsbedingungen allgemein.
GATS, das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services) der Welthandelsorganisation WTO wird seit Anfang 2000 neu verhandelt. Es geht dabei um eine Marktöffnung für über 150 Dienstleistungen in den derzeit 145 WTO-Mitgliedsstaaten: vom Bankwesen über Post- und Telekommunikation bis zu Daseinsvorsorge, Bildung und Gesundheitswesen. Aus umwelt- oder sozialpolitischer Sicht sinnvolle nationale Gesetze mutieren gemäß GATS zu Handelshemmnissen. Nicht Entwicklungsländer, sondern die Industrieländer sind die großen Exporteure von Dienstleistungen. Bezeichnend dafür ist, dass nur 16 Schwellenländer und nur eines der ärmsten Länder (Mali) Forderungen im Rahmen des GATS gestellt haben.
Beim GATS geht es darum, Märkte zu erschließen, und nicht darum, die leistbare Versorgung mit Dienstleistungen für möglichst alle Menschen sicherzustellen. Menschenrechte wie sauberes Trinkwasser, Bildung oder Gesundheitsversorgung werden zur Handelsware.
Die EU mit ihren in zähem Ringen aufgebauten Wohlfahrtsstaaten spielt ein doppeltes Spiel. Sie hat zum Beispiel 72 Länder aufgefordert, ihre Wasserversorgung zu liberalisieren. Doch sie selbst bietet die Bereiche Wasser, Bildung, Gesundheit und audiovisuelle Medien nicht zur Liberalisierung an – was auch als Erfolg der breiten Protestfront im Rahmen der „Stopp GATS“-Kampagnen zu werten ist (siehe SWM 1-2/2003 S. 44 und 3/2003 S. 9). Die Zivilgesellschaft hat sich Gehör verschafft in einem Bereich, in dem bislang die Regierungen in intransparenter Weise hauptsächlich die Kapitalinteressen bedient haben.
Gewinner von GATS sind die Konzerne der Industrieländer. GATS – wie die WTO insgesamt – bildet die realen wirtschaftlichen Machtverhältnisse lediglich ab. Daher geht die Hauptforderung der Entwicklungsländer in der derzeitigen „Entwicklungsrunde“ der WTO dahin, ihre Stellung in der Weltwirtschaft insgesamt zu verbessern.
Wer für „fair trade“ mit den Entwicklungsländern ist, muss für einen Stopp der Liberalisierungen eintreten, bis die Auswirkungen bisher erfolgter Liberalisierungsschritte auf die Entwicklungsländer evaluiert sind.
Und er muss auch für eine Reform der WTO eintreten, weg von einer „Oligarchie der Reichen“ hin zu einer demokratischen globalen Regulierungsinstanz, im Rahmen derer sich alle Mitglieder an den Diskussionen beteiligen können und ökonomische, ökologische und soziale Fragestellungen an einem Ort diskutiert werden.