Indonesien ist das weltweit größte muslimische Land, aber kein islamischer Gottes-Staat. Doch die Gefahr einer Radikalisierung wächst.
Der Islam im größten muslimischen Land der Erde ist von gemäßigter Ausrichtung. Von den rund 220 Millionen EinwohnerInnen Indonesiens sind an die 87 Prozent Muslime; insgesamt 70 Millionen gehören den beiden als moderat geltenden Organisationen „Nahdlatul Ulama“ und „Muhammadiyah“ an. Sie propagieren das Prinzip eines säkularen Staates und unterhalten im ganzen Land Universitäten, Religionsschulen und Krankenhäuser.
Trotzdem ist die religiöse Szenerie alles andere als homogen. Vor allem seit dem Sturz Suhartos 1998 haben sich neue, teils radikal-islamische Gruppen gegründet. Nicht selten bedienen sich machthungrige Politiker und Opportunisten dieser Gruppen, um aus Konflikten Kapital schlagen zu können. Beispiele dafür sind unter anderem die „Hisbullah Front“ und die „Islamic Defenders Front“, beide gegründet im Jahr 1998. In die Schlagzeilen gerieten diese Gruppierungen, als sie vor einiger Zeit Jagd auf TouristInnen, vornehmlich US-amerikanische Gäste, machten. Die „Hisbullah Front“ soll zudem Kontakte zu radikalen Muslimen auf den Molukken unterhalten und die Kämpfer logistisch und medizinisch unterstützt haben.
Im Jahr 2000 formierten sich darüber hinaus radikal antichristliche Organisationen wie „Laskar Jundullah“ und die „Laskar Jihad“ unter ihrem Führer Jafar Umar Thalib. Ihm werden sogar gute Kontakte zu Megawatis Stellvertreter, Vizepräsident Hamzah Haz, nachgesagt. Die „Laskar Jihad“ hat sich angeblich kurz nach den Bombenattentaten auf Bali aufgelöst. Doch diese abrupte Auflösung stößt bei manchen ExpertInnen auf Skepsis: „Das ist nichts als eine PR-Taktik“, meinte Zachary Abuza, Politikwissenschaftler am Bostoner Simmons College, gegenüber dem TIME-Magazine. Was wirklich dahinter steckt, ist schwer einzuschätzen. Tatsache aber ist: Die radikalen Zellen sind nicht greifbar.
Einer der meistgesuchten Menschen Indonesiens ist Riduan Isamuddin, besser bekannt als „Hambali“, der als einer der führenden Köpfe von Abu Bakar Bashirs Organisation Jemaah Islamiyah gilt und für mehrere schwere Bombenattentate in Südostasien verantwortlich gemacht wird.
Mit Warnungen vor gewalttätigen Islamisten läuft der Westen, allen voran die USA, aber Gefahr, den gegenteiligen Effekt zu erzielen. Nicht nur, weil die Verhaftung und Befragung von Abu Bakar Bashir durch die Polizei antiwestliche Ressentiments geschürt und teils wütende Proteste seiner Anhänger heraufbeschworen hat. Für diese ist der 64-Jährige ein Held, der sich gegen die Hegemonie der westlichen Welt zur Wehr setzt. Aber auch moderat eingestellte Muslime, die sich eindeutig dafür aussprechen, dass Bashir die offenen Fragen zu klären hat, drängen die Regierung in Jakarta, eindeutige Beweise gegen ihn vorzulegen.
Ähnlich sieht es auch Sidney Jones von der renommierten „International Crisis Group“. Die Indonesien-Expertin befürchtet heftige Gegenreaktionen im Inselreich. Laut Jones schürt es zusätzliches Misstrauen, wenn selbst die gemäßigten Muslime den Eindruck gewinnen müssen, das Ganze werde von der Politik lediglich inszeniert, um dem internationalen Druck gerecht zu werden. Ob die Regierung unter Megawati letztlich die Kraft und den Willen hat, die Anschläge auf Bali aufzuklären, bleibt abzuwarten. Es reicht bei weitem nicht aus, ein Anti-Terror-Dekret zu erlassen, nachdem man das Problem des radikalen Islamismus jahrelang ignoriert hat. Vielmehr gelte es, so Ulil Abshar-Abdalla vom Liberal Islam Network, den Ursachen auf den Grund zu gehen und sich die Unterstützung der mehrheitlich moderaten AnhängerInnen des Islam zunutze zu machen: „Ohne all das, fürchte ich, sind alle Schritte Megawatis bloß eine Reaktion auf den internationalen Druck. Wenn sich dieser Druck irgendwann einmal verflüchtigt, wird die Regierung zum Business as usual zurückkehren, und der Radikalismus wird weiterhin gären.“