People of Color in hohen Regierungsämtern garantieren noch keine progressive US-Politik.
Nach vier turbulenten Trump-Jahren wird der neue Präsident Joe Biden versuchen, die US-Politik in ruhigere Gewässer zu steuern. Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie möchte er wieder mit der Weltgesundheitsorganisation WHO kooperieren.
Als Zeichen, dass er den Klimaschutz ernst nimmt, kündigte er die Rückkehr der USA zum Pariser Abkommen an. Für den Atomvertrag mit dem Iran ist ein – schwieriger – Wiederbelebungsversuch beabsichtigt.
Zurück zu Verhältnissen wie unter Barack Obama – das ist nun in vielen Bereichen angesagt. Inspirierende Visionen gehen Biden, diesem „knochentrockenen Realisten“ (so die Neue Zürcher Zeitung) allerdings ab.
Immerhin verspricht er, elf Millionen ohne gültige Papiere in den USA lebenden Menschen eine Einbürgerungsperspektive („A path to citizenship“) zu verschaffen. Das würde in der südlichen Nachbarschaft der USA ebenso freudig aufgenommen wie eine weitere Entkriminalisierung des privaten Drogenkonsums, die mörderische Drogensyndikate und korrupte Netzwerke in den Herkunfts- und Transitländern schwächte.
Der Faktor China. Der größte Brocken auf dem Weg zu stabileren weltpolitischen Verhältnissen ist und bleibt China. Trump ging es – mit mäßigem Erfolg – nur darum, das Handelsdefizit zu verringern. Chinas Einfluss im globalen Süden wuchs ungebremst weiter.
Die unter Trump sauer gewordene Beziehung zu Kuba soll jedenfalls verbessert werden. Ob ein konstruktiver Dialog mit Venezuela gelingt, ist fraglich.
Biden hat versichert, den Menschenrechten wieder mehr Beachtung zu schenken. Den Schmusekurs Trumps mit rechten Autokraten in Lateinamerika, Asien und Afrika will er nicht weiterführen.
In der Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika tätige NGOs hoffen darauf, dass die Sperre von US-Hilfsgeldern für alle mit der Familienplanung verbundenen Programme fallen wird. Doch solch ein Schritt, der in den USA als radikal empfunden würde, geht einem Biden womöglich schon zu weit.
Viele BürgerInnen stimmten zwar für ihn, weil sie mit der Parole „Black Lives Matter“ den Rassisten Trump aus dem Weißen Haus vertreiben wollten.
Und Biden hat auch, angefangen mit der Vizepräsidentin Kamala Harris (deren Eltern aus Indien und Jamaika stammen) ein sehr diverses Team, darunter viele Frauen, zusammengestellt. Aber People of Color in hohen Regierungsämtern garantieren noch keine progressive Politik.
Bidens Leuten ist gemeinsam, dass sie den alten Machtzentren nahestehen, Finanzkonzernen oder der (Rüstungs-)Industrie. Unter Bidens außenpolitischen Beratern dominieren „Falken“, die wie er selbst für die Kriege in Afghanistan und im Irak eingetreten sind.
Links liegen gelassen. Der für die Mobilisierung der WählerInnen zuletzt so wichtige reformerische Flügel der Demokratischen Partei wurde von Biden links liegen gelassen.
Die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, das Gesicht des linken Lagers, appellierte bereits an Biden, fortschrittliche Anliegen in sein Programm aufzunehmen.
Es ginge etwa darum, Hilfszahlungen an andere Staaten nicht nach dem eigenen Machtkalkül, sondern gerecht über die UNO zu leisten; Handelsverträge sollten nach Kriterien des Klimaschutzes geprüft werden.
Die Regierung Biden/Harris kann nun versuchen, ihr wenig umwälzendes Programm mit Unterstützung pragmatischer Republikaner zu verwirklichen – oder sich doch einigen der systemverändernden Ideen der Linken anzunähern. Einfach wird weder das eine noch das andere sein.
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