Kleine Insekten sagen Afrikas Wasserplage Nummer eins den Kampf an.
Die Wasserhyazinthe bedroht in Sambia Brückenpfeiler und blockiert das Kraftwerk am Kariba-Stausee. Im westafrikanischen Volta-Becken verstopfen die Pflanzen Brunnen und Bewässerungsanlagen, Ähnliches geschieht am Nil.
Die Wasserhyazinthe, lateinisch Eichhornia crassipes, strömt über den Kagera-Fluss fast ungehindert in den Victoriasee, Afrikas größten See. Seit Ende der 80er Jahre lassen Burundi und Ruanda dessen Ufer verwildern. Ende der 90er Jahre blockierte das Pflanzenmeer im Victoriasee fast jede Bucht. Rund ein Prozent der Wasseroberfläche war versiegelt, eine Fläche so groß wie Bodensee und Neusiedler See zusammen zum Brutplatz von Moskitos und Schlangen verkommen. Auf dem See schwamm eine Biomasse von ca. zwei Mio. Tonnen, theoretisch verwertbar als Dünger, Viehfutter, Textilfaser, im Möbelbau oder auch zur Biogaserzeugung. Doch tatsächlich handelte es sich um zwei Mio. Tonnen Sondermüll. Denn die Pflanzen sind grandiose Schadstoffsammler. In ihrer Wachstumsphase binden sie Stickstoff, Phosphor, Kalium und Magnesium aus der zunehmenden Verschmutzung durch Industrie-, Bergbau-, Landwirtschafts- und Siedlungsabwässer.
Verketten sich die besenstieldicken Blattstämme, bilden sie eine schwer durchdringliche, grüne Pflanzenwüste. Auslauf- und Anlegeplätze für Boote werden unpassierbar, Fischgründe damit unerreichbar, Laichgründe drohen unter den großflächig Licht schluckenden Teppichen zu ersticken. Wenn die Fische nicht gleich sterben, sinkt der Sauerstoffgehalt im Muskelfleisch, was sie nach dem Fang im tropischen Klima noch schneller verderben lässt.
Am Victoriasee kamen kleine Frachter, Eisenbahn- und Personenfähren zum Stillstand, örtlich brach die Elektrizitätswirtschaft zusammen. Millionen Menschen drohte der Bankrott.
Die betroffenen Verwaltungen sehen sich im Kampf gegen die Plage rasch der Unfähigkeit geziehen. In Sambia ging sogar das Militär mit schwerem Gerät gegen die Pflanze vor. In Simbabwe, später auch auf dem ugandischen Kyogasee, testete man Chemikalien darunter das in Europa längst verbotene Herbizid 2,4-D.
Des öfteren werden Stadtverwaltungen, wie kürzlich erst jene von Kisumu in Uganda, Opfer westlicher Firmen: Diese verkaufen ihnen finanziert über Millionenkredite der Weltbank teure, angesichts der Vitalität der Pflanzen nutzlose Erntemaschinen.
Dabei ist spätestens seit Ende der 90er Jahre ein Erfolg versprechender Weg bekannt: biologische Kontrolle. Speziell gezüchtete Rüsselkäfer, die sich zum Fressen gern in die Stängel der Hyazinthen bohren, machten den Pflanzen nicht nur auf dem Victoriasee den Garaus. 1997 millionenfach an dessen westlicher Seite ausgesetzt, haben sich die aus Westafrika stammenden Neochetina bruchi und Beochetina eichhornia seither entlang der Ufer durchgefressen.
Erst verfärbte sich die Grundfarbe der Teppiche von grün zu braun, dann versanken sie. Danach allerdings raffte die Käfer im fremden Ökosystem ihr einziger natürlicher Feind dahin: der Hungertod.
Nicht nur deshalb warnt der Hyazinthen-Experte Timothy Twongo aus Uganda vor allzu großem Enthuasiasmus. Das erneute Auftauchen der Pflanzen, deren Samen bis zu 30 Jahre fruchtbar sind, Anfang dieses Jahres zeige, dass die Käfer ständig nachgezüchtet werden müssten.
Doch die meisten der Käfer-Zuchtanlagen wurden nach Abflauen der Plage aufgegeben. Die Population sank rapide. Gleichzeitig nähren Faulstoffe der am Seegrund verrottenden Pflanzen das Wiederauftauchen der Plage. Abhilfe brächte die gezielte Unterstützung der dörflichen Käferzüchter.
Victoriasee
Der Victoriasee ist mit knapp 70.000 km2 Wasserfläche das zweitgrößte Süßgewässer der Welt. Rund um seine fast 3.500 km Ufer siedeln 30 Millionen Menschen, von denen zwei Millionen direkt vom Fischfang abhängig sind.
Sein Ökosystem bedrohen nicht allein Abwässer und Wasserhyazinthen, sondern auch der ebenfalls in der Kolonialzeit eingeführte Nilbarsch, ein großer Raubfisch, der die Artenvielfalt drastisch verringert hat. Und seit Jahren warnen WissenschaftlerInnen vor der drohenden unumkehrbaren Überdüngung des Sees.
Fritz Gleiß ist freier Journalist und lebt in Hamburg.
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