Worüber haben Sie zum letzten Mal lauthals gelacht?
Über die absurde Unterstellung einer griechischen Zeitung. Im April wurde darin berichtet, dass wir, die wir Flüchtlinge in der Türkei unterstützen, damit sozusagen biologische Kriegsführung gegen Griechenland betreiben – weil wir so angeblich die Ausbreitung von Corona befördern.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an anderen?
Wenn Leute offen bleiben gegenüber den Erfahrungen und Perspektiven ihrer Mitmenschen. Wenn sie auf die Notlage anderer auf empathische Weise reagieren können, besonders wenn sie selbst nicht betroffen sind.
Wenn Sie Österreich verlassen müssten, was würden Sie vermissen?
Die Sicherheit, mir um die Deckung meiner Grundbedürfnisse keine Sorgen machen zu müssen.
Natalie Gruber, 30, kommt aus Wien und studierte bis 2015 Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Dann wurde sie als Forschungsassistentin für ein Projekt in Nepal engagiert und fing danach an, beim Verein Nepal Trust Austria im Bereich Fundraising und Consulting zu arbeiten. Im Sommer 2015 unterstütze sie Geflüchtete in verschiedenen Ländern und gründete schließlich den Verein Josoor (Arabisch für „Brücke”) mit dem Ziel, eine Online-Plattform für Geflüchtete und UnterstützerInnen aufzubauen. Seit März 2020 sammelt der Verein Spenden für die Grundversorgung Geflüchteter an der griechisch-türkischen Grenze und die Beobachtung der Menschenrechtslage vor Ort.
Was sagen Sie sich, wenn Sie wütend sind auf das Handeln von Politikerinnen und Politikern?
Ich nehme meine Wut – die ich oft genug habe – als Motivation, noch mehr dafür zu tun, dem unmenschlichen Handeln mancher Politikerinnen und Politiker etwas entgegenzusetzen.
Was motiviert Sie, immer weiterzumachen mit dem aktivistischen Engagement?
Ich engagiere mich derzeit mit Josoor in einem Team von über 50 Menschen – alle ehrenamtlich, größtenteils Vollzeit. Im Moment der absoluten Erschöpfung war es das Wissen um unser gemeinsames Engagement und dass wir uns gegenseitig unterstützen und weitermachen.
Eine Erkenntnis, die sie stets begleitet?
Menschen wollen in Frieden leben. Und um das zu erreichen, halten sie viel mehr aus als ihnen vielleicht bewusst ist. Das gilt für Geflüchtete und auch für all jene, die sie unterstützen.
Welche gute Tat kann jede und jeder hierzulande heute noch tun?
Unseren kollektiven Gedankenhorizont erweitern. Ich denke, dass wir durch den Austausch mit anders Denkenden alle etwas dazu lernen und auch nur dadurch gemeinsam nachhaltige Lösungen erarbeiten können.
Die ganze Welt hört Ihnen zu. Was sagen Sie?
Wir dürfen keine Angst haben vor anderen bzw. müssen die Angst voreinander loswerden. Wenn wir miteinander leben statt gegeneinander kämpfen, ginge es uns allen viel besser.
cs
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