Je länger die Corona-Krise andauert, desto öfter hört man: Ach, könnte es doch bald sein wie früher! Wollen wir das wirklich?
Das Wort Krise besteht im Chinesischen aus zwei Zeichen: Gefahr und Chance. Sollten wir diese Chance nicht nützen? Unsere Welt ist in vielerlei Hinsicht aus dem Ruder gelaufen. Veränderungen tun not.
In der Le Monde Diplomatique, Mai 2020, heißt es: „Ist die Coronapandemie ein heilsamer Schock, der uns die Verwundbarkeit unserer Zivilisation und die Anfälligkeiten vor Augen führt, die das globale Wachstumsmodell, die Hyperspezialisierung und den unaufhörlichen Strom von Menschen, Gütern und Kapital hervorgebracht hat?“
Die Zeichen der Zeit. Global gesehen wissen wir noch gar nicht, welche Ausmaße die Pandemie annehmen und welche Verwerfungen sie zeitigen wird. In unserem unmittelbaren Umfeld erleben wir hautnah die wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise. Soziale Fehlentwicklungen kommen ans Tageslicht.
Es wird einiges getan: Milliardenschwere Hilfspakete werden geschnürt, um Firmen zu unterstützen, Pleiten abzuwenden, Einkommensverluste abzufedern, Arbeitsplätze zu sichern. Natürlich wäre es falsch, nichts zu tun, keine Hilfsmaßnahmen zu ergreifen.
Allein Aktivitäten zu entwickeln, damit bald alles wieder seinen gewohnten Gang geht, das wäre aber fatal.
Wir sollten nicht das Modell von gestern anstreben. Für eine gedeihliche Zukunft aller sind die Weichen umzustellen. Wenn wir weiterhin nur Konsum und Gewinn anstreben, dann haben wir die Zeichen der Zeit nicht begriffen, haben wir keine Lehren aus Corona gezogen.
Über den Tellerrand. In etlichen Kommentaren wird gefordert, bei den finanziellen Rettungsaktionen die dringenden Erfordernisse angesichts der Klimakatastrophe nicht aus den Augen zu verlieren. Ihre Folgen werden uns noch viel nachhaltiger beschäftigen als die Coronakrise. Deshalb sind etwa bei neuen Konjunkturpaketen Bedingungen für umweltschonendes Wirtschaften einzuplanen.
Wenn wir den Blick ein wenig über den Tellerrand erheben, muss des Weiteren gelten: Die internationale Solidarität ist nicht passé. Wenn wir diese Krise als Chance begreifen wollen, dann geht es nicht darum, noch ein paar zusätzliche Hilfspakete für die Armen und Hungernden in den ärmsten Ländern dieser Welt zu schnüren.
Es geht vielmehr darum, an einem gerechteren Austausch – wirtschaftlich, gesellschaftlich, kulturell – zu bauen. Die Gesellschaften des globalen Südens dürfen nicht weiter daran gehindert werden, nachhaltige Produktions- und Wirtschaftskreisläufe zu entwickeln. Sie müssen von dem, was sie erarbeiten, in Würde leben können.
In diesem Sinne ist Adam Shatz zuzustimmen, der ebenfalls in der Le Monde Diplomatique, Mai 2020, schreibt: „Von einer ‚Rückkehr‘ zur Normalität zu reden, ist nicht nur lächerlich, sondern verantwortungslos.“
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