Frank Gonzáles Guerra war einer der Ersten, der in Kuba surfte. Seitdem kämpft er dafür, dass seine Leidenschaft als Sport anerkannt wird.
Von Sandra Weller
In der kleinen Werkstatt, die der 32-jährige Frank Gonzáles Guerra sich in seinem Haus in Kubas Hauptstadt Havanna eingerichtet hat, stapeln sich Surfboards in Holzständern, Skateboard-Rollen liegen auf dem Tisch, Werkzeug ist überall verteilt. Mittendrin steht Guerra, braungebrannt, tätowiert, wilde Locken mit ausgeblichenen Spitzen, und schleift die Oberfläche an einem Surfboard glatt.
In der Ecke steht ein altes, kleines, blaues Brett aus Holz. „Damit habe ich angefangen zu surfen“, sagt er und lacht.
Das Meer hatte schon immer eine magische Anziehungskraft auf Guerra. Aufgewachsen in Havannas Stadtteil Playa, ganz in der Nähe der Küste, war es für ihn eine Art Intuition, sich in die Wellen zu stürzen. Zuerst hatte er nur ein Stück Holz. Er sägte es in Form, überzog es mit Harz, befestigte eine Schnur mit einem Nagel. „Als ich das erste Mal auf einer Welle geritten bin, habe ich ein unglaubliches Gefühl gehabt. Da wusste ich, dass ich damit niemals aufhören würde“, erinnert sich Guerra. Damals war er erst zwölf Jahre alt.
„Surfen ist auf Kuba nicht einfach“, erklärt der Wellenreit-Pionier. „Es wird hier von staatlicher Seite nicht als Sport anerkannt. Unsere Surfboards wurden bis vor ein paar Jahren regelmäßig von der Polizei konfisziert. Diese Situation hat sich zwar verbessert, aber wir dürfen keine Vereinigung gründen oder an internationalen Wettbewerben teilnehmen.“
Guerra schmunzelt: „Sie haben Angst, dass wir auf unseren Surfboards in die USA abhauen.“ Diese Angst kommt noch aus der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges: Als Anfang der 1990er Jahre die Sowjetunion, Kubas wichtigster Unterstützer, kollabierte, verfiel das Land in eine schwere Krise. Leute verhungerten, und KubanerInnen schnappten sich alles was schwamm, sei es ein Autoreifen, um damit über das Meer in die USA zu fliehen.
Reparieren und improvisieren. Heute gibt es etwa 100 SurferInnen auf Kuba. Guerras Werkstatt ist ein Treffpunkt. Wenn ein Board gebrochen ist, dann kommen die SurferInnen zu ihm, um es reparieren zu lassen. Geschäfte für Surfzubehör gibt es nicht. Manchmal bekommen sie notwendiges Material von FreundInnen aus dem Ausland, alles andere ist improvisiert.
Guerra hat eine kleine Box in seiner Werkstatt hängen, in die Freunde eine kleine Spende werfen können. Bezahlen lässt sich Guerra nicht dafür, dass er den anderen hilft. Guerra arbeitet in einem Aquarium. Damit verdient er so viel wie der Großteil der Menschen auf Kuba – etwa 20 US-Dollar im Monat.
Neben der Schwierigkeit, das Material aufzutreiben, ist das Reisen für die SurferInnen eine Hürde. Selbst wer das nötige Geld hat, kann nicht einfach so das Land verlassen. Aber Guerra, so sagt er selbst, hat viel Glück in seinem Leben. Vor ein paar Jahren wurde er von einer chinesischen Modefirma als Model gebucht und durfte das erste Mal ins Ausland reisen – nach China. Als sein Job erledigt war, fuhr er sofort an Chinas Küste, um zu surfen. „Das war unglaublich!“ strahlt er. Auch nach Portugal und Hawaii hat er es schon durch Ausnahmeregelungen geschafft.
Zusammenhalten. Normalerweise bleiben Kubas SurferInnen im Land. Einmal in der Woche kommen viele von ihnen zusammen, um den Strand sauber zu machen. Der beliebteste Surf-Spot ist auch Treffpunkt von AnhängerInnen der Santería-Religion, die von den SklavInnen aus Afrika nach Kuba gebracht wurde und bis heute praktiziert wird. Bei den Zeremonien zu Ehren der Meeresgöttin Yemayá werden Opfergaben ins Meer geworfen, damit Wünsche erfüllt werden. Manchmal treibt dann ein totes Huhn neben dem Surfbrett vorbei. „Das ist eklig“, meint Guerra und schüttelt sich. Bei so etwas mache er nicht mit.
Sein sehnlicher Wunsch ist es, dass die kubanischen Behörden Surfen als Sport anerkennen, Wettbewerbe genehmigen und die SurferInnen dafür auch ins Ausland reisen lassen. „Es geht mir gar nicht ums gewinnen. Es geht darum, die Freiheit zu haben, teilzunehmen.“
Sandra Weller ist freie Fotografin und lebt in Frankfurt am Main. Seit etwa zwei Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Kuba. Bei einem ihrer Aufenthalte vor Ort lernte sie Frank Guerra kennen.
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