Wie die Dominikanische Republik mit haitianischen ArbeiterInnen umgeht.
Haiti und die Dominikanische Republik, die zwei Länder, die sich die Karibikinsel Hispaniola teilen, sind nur durch eine Grenze voneinander getrennt, könnten aber kaum unterschiedlicher sein. Die dominikanische Wirtschaft ist heute fast neunmal so groß wie die Haitis, und das Land war stets ein Magnet für HaitianerInnen auf der Suche nach Arbeit.
Sie übernehmen in der Regel die schlechtesten Jobs, vor allem in der Landwirtschaft. Während des Zuckerrohr-Booms in den 1930er Jahren schlossen die beiden Regierungen Abkommen, um die Rekrutierung haitischer Arbeitskräfte durch die US-amerikanischen oder dominikanischen Zuckerbarone zu erleichtern. Heute, mit der Krise des Zuckersektors, arbeiten viele der MigrantInnen im Bananenanbau.
In den letzten Jahren griffen die dominikanischen Behörden jedoch hart gegen die Einwanderung durch, kündigten die früheren Abkommen und verringerten die Rechte der eingewanderten HaitianerInnen auf ein Minimum.
Keine Perspektive. 2013 entzog ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes allen Nachkommen von HaitianerInnen, die nach 1929 ins Land gekommen waren, das Recht auf die dominikanische Staatsbürgerschaft. Von einem Tag auf den anderen schwebten hunderttausende Menschen rechtlich in der Luft. Viele von ihnen waren in der Dominikanischen Republik geboren und aufgewachsen, hatten zu Haiti kaum Verbindungen und besaßen auch keinerlei Dokumente, die sie als BürgerInnen des Nachbarlands ausweisen würden.
„Sie haben sich die Angst vor einer Invasion zunutze gemacht und eine Geisterarmee geschaffen“, konstatiert Liliana Doris, Leiterin des „Movimiento de mujeres dominico-haitiano“, einer Organisation, die sich für die Rechte von Menschen haitianischer Herkunft einsetzt, insbesondere für Frauen. „In den vergangenen 50 Jahren hat sich das Migrationsproblem zu einem regelrechten Teufelskreis entwickelt: Die Dominikaner wollen die Haitianer nicht, aber sie spielen eine Schlüsselrolle in der Wirtschaft des Landes, weil sie alle möglichen Jobs übernehmen, für die sich die Dominikaner zu gut sind.“
Unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft entschloss sich die Regierung schließlich zu einer Art „Amnestie“: Wer nachweisen konnte, bereits vor Oktober 2011 im Land gewesen zu sein, bekam einen Aufenthaltstitel. Das Problem wurde damit aber nicht wirklich gelöst: Viele konnten die erforderlichen Nachweise nicht bis zum Ende der Antragsfrist erbringen und wurden in ein „Herkunftsland“ abgeschoben, in dem sie vielleicht noch nie gewesen waren.
Populismus. „Die Regierung hat Massendeportationen durchgeführt, um eine verängstigte Öffentlichkeit zu beruhigen“, kritisiert Saint-Pierre Beaubrun, Koordinator der Organisation „Groupe d’appui aux rapatriés et refugiés“ (Garr) in der haitischen Hauptstadt Port-au-Prince. Garr bietet repatriierten HaitianerInnen Unterstützung an und versucht, die Situation an den verschiedenen Grenzübergängen zu überwachen.
„Sie nehmen oft willkürlich Menschen schwarzer Hautfarbe fest. An der Grenze konnten wir feststellen, dass Leute von anderen Antilleninseln mit HaitianerInnen verwechselt wurden. Einmal schickten sie uns sogar einen Mann aus Nigeria, der als Tourist in der Dominikanischen Republik war.“
Laut Beaubrun wurden in den vergangenen beiden Jahren mehr als 180.000 Menschen nach Haiti abgeschoben. Viele von ihnen waren erst kurz zuvor in die Dominikanische Republik eingereist, andere jedoch waren dort zur Welt gekommen und hatten ihr ganzes Leben dort verbracht.
Stefano Liberti ist ein mehrfach ausgezeichneter italienischer Journalist, Autor und Filmemacher.
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