Seit fast 25 Jahren kämpft Rakesh Jaiswal gegen die Verschmutzung des Ganges in Nordindien. Christina Schröder traf ihn in Wien.
"Eines Tages drehte ich daheim den Wasserhahn auf und es kam schwarzes, stinkendes Wasser heraus“, erinnert sich der 59-jährige Rakesh Jaiswal. Damals, 1993, gab es im Anschluss an die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 erstmals verstärkte Aufmerksamkeit rund um Umwelt-Themen, auch in Indien.
Überzeugt von der Notwendigkeit, aktiv zu werden, beschloss Jaiswal, der bis dahin als Politikwissenschaftler und Botaniker gearbeitet hatte, sich fortan auf der Seite der NGOs und politischen AktivistInnen zu engagieren. Noch im gleichen Jahr gründete er die Umweltschutz-Organisation Eco Friends mit Sitz in Kanpur, einem der größten indischen Gerbereizentren.
Giftige Gerbereien. Indien ist mittlerweile der viertgrößte Lederexporteur weltweit. Besonders im Norden des Landes ist Jaiswal zufolge das Gerben auch heute noch ein schmutziges Geschäft: Es entstehen giftige Abwässer, die in der Region um Kanpur den Ganges verschmutzen und die Menschen krank machen. „Ab Mitte der 1990er Jahre versprach die Regierung Maßnahmen zu setzen, um die Abwässer der Städte, der Industrie und der Landwirtschaft zu klären. Sie präsentierte Studien, die Verbesserungen der Wasserqualität nachwiesen. Aber wenn wir die Wasserqualität dann selber analysierten, kamen wir auf viel schlechtere Ergebnisse“, erzählt Jaiswal. Anfangs wies die Regierung die Verantwortung von sich. Schuld seien alte Leitungen, die man wegen fehlender Ressourcen nicht austauschen könnte.
Viele Jahre Lobbyarbeit veränderten schließlich etwas: PolitikerInnen verstanden Jaiswals Anliegen und wollten sich dafür einsetzen, den Ganges zu schützen. Die Politik begann Druck auf die Gerbereien zu machen.
Doch oftmals waren die Worte der politischen Verantwortlichen in der Region auch nur Worthülsen: „Durch den Bedarf der Landwirtschaft und Industrie führt der Ganges heute weniger Wasser. Das, was bleibt, wird immer dreckiger und giftiger“, betont Jaiswal.
Der Aktivist hat mitunter das Gefühl, mit seinen Anliegen einen Schritt vor und zwei Schritte zurück zu machen.
Aufklärung. Neben der Politik war immer die Bevölkerung Adressat seiner Arbeit: „Von Anfang an wendeten wir uns mit Kampagnen direkt an unsere Mitmenschen, um sie auf die Notwendigkeit des Wasserschutzes aufmerksam zu machen“, so Jaiswal. „Der Ganges wird etwa auch durch Riten und Bräuche verschmutzt. Zum Beispiel dadurch, dass Tote ins Wasser geschmissen werden“, erklärt der Aktivist. Das sei zwar im Vergleich zur den agro- und industriellen Abfällen weniger verschmutzend, aber viel sichtbarer.
Zwei Mal im Jahr befuhren er und sein Team deshalb den 15 Kilometer langen Flussabschnitt rund um Kanpur und holten die Leichen aus dem Wasser – über hundert seien es pro Aktion gewesen.
Das Bewusstsein der Menschen habe sich über die Zeit geändert, so Jaiswal. Und die Jungen bekommen laut dem Aktivisten heute durch die modernen Medien viel Information und haben in weiterer Folge mehr Umweltbewusstsein.
Daraus schöpft Jaiswal Motivation. Gesundheitliche Probleme machen ihm zu schaffen, er könnte sich auch schon in den Ruhestand verabschieden. Aber Jaiswal kann nicht aufhören, sich um den Ganges zu bemühen. Er bekomme viele Anfragen von JournalistInnen aus dem Ausland, und solange Menschen da seien, die sich für sein Wissen interessieren, gäbe es auch kein Ablassen für ihn.
Jaiswals Lebensziel ist und bleibt ein unverschmutzter Ganges: „Ich will den Fluss sauber sehen, und zwar mit eigenen Augen, bevor ich sterbe“, sagt der Aktivist mit Nachdruck.
Rakesh Jaiswal war aus Anlass der Präsentation eines Berichts über die Situation der Gerbereien in Nordindien im Rahmen des Projektes „Change your Shoes“ der Clean Clothes Kampagne Ende 2017 in Wien.
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