Alles schreit nach Tod

Von Sarmad Al Jilane · · 2018/Jan-Feb

Ein Aktivist schildert seine Erfahrungen in einem syrischen Gefängnis.

Alle Stadtviertel begehrten auf, nur mein eigenes nicht. Zum ersten Mal war es still, regungslos, zur falschen Zeit.

In der dritten Nacht hatten sich die Dinge etwas beruhigt. Ich durchbrach die Stille, indem ich mehrere Male „Allahu Akbar“ von meinem Hausdach aus schrie. Ich hörte meine Stimme durch die Stille widerhallen. Viele Freunde, wahre Freunde schlossen sich mir an.

Ich durchschreite den Hof. Im ersten Büro lasse ich alles zurück, was ich mit mir trage. Danach wieder durch den Hof und in das zweite Büro, das durch einen Gang zu den Einzelzellen führt. Die Tür öffnet sich. „Sie sind hier, um verhört zu werden.“

Ich betrete den Verhörraum. „Mein Junge, du bist noch jung, du kannst so viel Wichtigeres mit deinem Leben anfangen.“ Ich antwortete nicht. Ich habe es mir angewöhnt, nicht zu antworten. Ich kann wirklich nicht mehr genau sagen, wann Beleidigungen und Schläge nach einem freundlichen Gespräch für mich zu einem gewöhnlichen Kommunikationsmittel geworden sind.

Es fängt mit einem Plastikrohr an, das wahrscheinlich aus den Kloaken stammt. Innerhalb einer einzigen Stunde wechselten sich drei von ihnen ab, während ich immer noch an der Reihe war. Ich hatte jegliches Gefühl in meinem Körper verloren – und auch meine Stimme, weshalb ich aufhörte zu schreien. Der Henker bemerkte die Abkühlung und fand gar keinen Gefallen daran, weshalb er als Nächstes zu einem elektrisch geladenen Stab griff. Strom durchfloss meinen ganzen Körper, genug, um mein ganzes Viertel zu versorgen. Die Taubheit verschwand und der Schmerz war wieder da. Nach zwei schrecklichen Stunden entschied er, dass er seine Pflicht für diese Nacht erfüllt hatte. Das muss wohl so um Mitternacht gewesen sein.

Einige Stunden vergingen, die mir wie Minuten vorkamen. Dann der Aufruf zum Morgengebet. Die Tür öffnet sich und das Morgenlicht erfüllt den Raum. „Raus mit dir, Arschficker.“ Ich antworte mit der Stimme eines erschöpften Jugendlichen: „Mein Herr, mein Vater muss sich furchtbare Sorgen machen.“ „Sei still und beweg dich, du wirst verlegt.“

Das war neu.

Sonst hatten sie mich immer freigelassen.

Wo führen sie mich hin?!

Sarmad Al Jilane ist ein syrischer Blogger, Advocacy Trainer und Aktivist. Dieser Text aus der Reihe „Schlaf oder Tod“ von Al Jilane ist ein Auszug und erschien in längerer Fassung auf: globalvoices.org

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