Neue Dürren und Temperaturanstiege: Tyma Kraitt informiert, wie der Klimawandel die arabische Welt bedroht.
Während die Kriege und humanitären Katastrophen in Syrien, Irak oder auch in Jemen die Weltöffentlichkeit in Atem halten, bahnt sich in der arabischen Welt eine neue Katastrophe an: Wasserknappheit durch lange Dürreperioden sowie allgemein gestiegene Temperaturen werden in baldiger Zukunft riesige Landstriche unbewohnbar machen – und das in einer Region, in der ohnehin bereits zwei Drittel der Fläche von Wüste verschlungen wurden.
Der Syrien-Konflikt ist bereits ein Vorgeschmack davon wie sich die fatalen Folgen des Klimawandels auf die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas auswirken können.
Dabei ist diese Region selbst nur minimal für den Treibhauseffekt verantwortlich – trotz Klimasündern wie Saudi-Arabien lag ihr Anteil an globalen Kohlendioxid-Emissionen in den vergangenen zehn Jahren knapp unter fünf Prozent. Die Prognosen des Max-Planck Instituts für Chemie etwa sind jedenfalls alarmierend: In nur wenigen Jahrzehnten soll das Klima in großen Teilen der arabischen Welt nahezu lebensfeindlich werden. Bis 2050 ist ein Temperaturanstieg von vier Grad zu erwarten.
Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Regionen ist, dass die steigenden Temperaturen den Sommer betreffen und nicht wie etwa in Europa den Winter. Die Zahl der extrem heißen Tage mit Höchsttemperaturen ab 46 Grad Celsius werden sich in den kommenden Jahrzehnten verfünffachen, d.h. statt nunmehr 16 werden die Menschen mit 80 extrem heißen Tagen pro Jahr konfrontiert sein. Nachts werden an solchen Tagen die Temperaturen nicht mehr unter 30 Grad sinken. Außerdem werden die Hitzewellen nicht nur häufiger, sondern dauern insgesamt auch länger.
Fallbeispiel Syrien. Die Auswirkungen des Klimawandels haben auch das soziale Gefüge in verschiedenen Ländern der Region ins Wanken gebracht. Denn Wasserknappheit und Desertifikation bedeuten stets auch, dass landwirtschaftliche Nutzfläche abhanden kommt und der ländlichen Bevölkerung damit die Lebensgrundlage entzogen wird. So geschehen in Syrien, wo eine langanhaltende Dürreperiode ab 2006 fast eine Million Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in die Existenzkrise stürzte und viele zur Migration in die Städte zwang.
Die urbanen Zentren verfügten indes nicht über die notwendige Infrastruktur, um diesen Zuzug zu bewältigen – von der sanitären Infrastruktur angefangen bis hin zu Spitälern oder Schulen. Mit den schwierigen Lebensbedingungen stieg auch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Es ist kein Zufall, dass der Aufstand im Jahr 2011 in der syrischen Provinz Daraa im Südwesten des Landes eingeleitet wurde. Daraa, eine ehemalige Hochburg der regierenden Baath-Partei, wurde von der Dürre sehr stark getroffen.
Doch auch andere Brennpunkte der Revolte gegen das syrische Regime zeugen von den Implikationen des Klimawandels. So etwa die Vororte von Damaskus. Diese waren aufgrund massiver Landflucht in den Jahren vor dem Aufstand zu riesigen Satellitenstädten angeschwollen.
Für die Neuankömmlinge aus der Provinz waren die explodierenden Mieten in der syrischen Hauptstadt kaum erschwinglich, weshalb sie sich in den völlig heruntergekommenen Vororten ansiedelten. Letztere wurden dadurch zu sozialen Brennpunkten.
Die syrische Regierung setzte zudem keine Maßnahmen, um diese negativen Folgen der klimatischen Veränderungen auf das soziale Gefüge abzufedern.
Auch Irak betroffen. Auch im kriegsgebeutelten Nachbarland Irak verschärf(t)en die Folgen des Klimawandels bereits existierende Konflikte. Der Irak bezieht nahezu das gesamte Oberflächenwasser aus den Flüssen Euphrat und Tigris. Aufgrund der Staudammprojekte der Türkei zeichnet sich hier seit geraumer Zeit ein rasanter Abfall des Wasserpegels ab.
Hinzu kommen die Zerstörung der Infrastruktur infolge der vergangenen Kriege, die Verschmutzung des Grundwassers durch Erdöl sowie die regionale Trockenheit. Und gerade letztere hat sich in den vergangen Jahren drastisch verschlimmert.
Ähnlich wie in Syrien wurde auch der Irak ab dem Jahr 2007 von einer sehr langen Dürreperiode heimgesucht. Auch hier kam es zu riesigen Ernteausfällen auf bis zu 40 Prozent des beackerten Landes, zu Versorgungsengpässen und daraufhin zu einer Landflucht Richtung Hauptstadt Bagdad und Basra im Süden.
Verteilungs- und Ressourcenkonflikte waren eine Folge, die sich in dem konfessionell und ethnisch gespaltenen Land auch entlang eben dieser Trennlinien entluden. Verlierer waren etwa die Angehörigen der sunnitisch-arabischen Minderheit in der am Euphrat liegenden Stadt Ramadi – die sich wiederum ab 2015 vollständig unter der Kontrolle des Islamischen Staates befand.
Konfliktmotor. Die Feinstaubbelastung hat im Irak, in Syrien und in Saudi-Arabien innerhalb von zwei Jahrzehnten um 70 Prozent zugenommen. Denn der Temperaturanstieg sorgt dafür, dass mehr trockener Staub aufgewirbelt wird. Das begünstigt die nun häufiger auftretenden Sandstürme. Sie werden die Lebensbedingungen der Menschen in dieser Region weiterhin drastisch verschlechtern.
Auch in Ländern, die noch nicht von Krisen und Gewalt betroffen sind, ist die Situation bedrohlich: Ägypten, das bevölkerungsreichste arabische Land, verzeichnet aufgrund der Trockenheit riesige Ernteausfälle. Angesichts des rasanten Bevölkerungswachstums ist die ägyptische Landwirtschaft seit Jahrzehnten nicht mehr in der Lage, genügend Nahrungsmittel zu produzieren. Das erklärt wiederum die Abhängigkeit von Getreideimporten. Die aktuelle Trockenheit verschlimmert damit Engpässe, die bereits vorhanden sind.
Hier zeigt sich das Zusammenspiel von klimatischen Veränderungen und staatlichem Missmanagement deutlich. Mittlerweile steht Kairo vor der Staatspleite und kann die notwendigen Getreideimporte nicht mehr zahlen.
Es wäre sicherlich verkürzt, den Klimawandel pauschal als Ursache der Gewaltkonflikte in dieser Region darzustellen. Er ist aber sicherlich ein großer Instabilitätsfaktor und verdient als solcher weitaus mehr Aufmerksamkeit, als ihm derzeit zuteil wird.
Sofern in Zukunft große Teile der arabischen Welt unbewohnbar werden, steht Europa eine neue große Flüchtlingsbewegung bevor.
Tyma Kraitt ist Publizistin mit Fokus auf die Umbrüche im arabischen Raum und lebt in Wien. Von der Autorin erschien 2015 im Promedia Verlag: Irak. Ein Staat zerfällt.
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