Mode / Menschenhandel

Von Richard Solder · · 2014/03

Joana Adesuwa Reiterer will ihre NGO EXIT mit einer Modelinie verknüpfen – und damit Konzerne wie Mango in Nigeria herausfordern.

Die meisten Menschen kennen Joana Adesuwa Reiterer als Gesicht der NGO EXIT. 2006 gründete sie den Verein, der gegen Menschenhandel von Afrika nach Europa zum Zweck der sexuellen Ausbeutung kämpft. Was nicht alle wissen: die gebürtige Nigerianerin ist auch Designerin, sowie seit Neuestem auch Geschäftsfrau. Mit dem iPad unter dem einen und dem Skizzenbuch unter dem anderen Arm schwirrt die mehrfach ausgezeichnete Menschenrechtlerin derzeit von Termin zu Termin. Wenn sie sich nicht gerade um ihre zwei Kinder kümmert, widmet sie all ihre Energie ihrem neuesten Projekt, „Role Model X“. Dabei handelt es sich um eine Modelinie, die in den kommenden Monaten durchstarten soll. Das Spezielle daran: Reiterer will das neue Projekt mit EXIT verbinden. Die Erlöse der Modelinie sollen in die NGO, die gegen Menschenhandel kämpft, fließen. Ziel ist es, EXIT zu 100 Prozent über Mode zu finanzieren. Reiterer spricht in diesem Zusammenhang auch dezidiert von einem „Wirtschaftsmodell“.

Dabei geht es nicht darum, auf die Solidarität von europäischen Konsumentinnen und Konsumenten zu hoffen. Role Model X spricht eine breite Zielgruppe an – und zwar in Nigeria: „Man darf Afrika nicht unterschätzen, die Leute ziehen sich auch an und kaufen Kleidung dafür“, sagt Reiterer augenzwinkernd. Mit ihrer Mode will sie die gehobene Mittelschicht anlocken – jene, die gerne konsumieren, sich aber Luxusmarken nicht leisten können. Laut Reiterer sind das rund 20 Millionen Nigerianerinnen und Nigerianer. Dass auch internationale Konzerne wie Mango, aber auch H&M und Zara ein Auge auf Nigeria geworfen haben, sieht sie nicht als Hindernis. Sie will mit modernen Designs und einer afrikanischen Produktion punkten: Die Entwürfe entstehen in Wien, die Stoffe kommen aus Afrika. Hergestellt werden die Kleider in einer Produktionsstätte in Lagos. Für die Initiatorin ein wichtiger Faktor: „Wieso müssen afrikanische Menschen so oft in der Rolle der Konsumenten bleiben?“

Joana Adesuwa Reiterer

Reiterer arbeitet mit NGOs in Nigeria zusammen. In der Produktionsstätte in Lagos will Reiterer Frauen aus gefährdeten Gruppen beschäftigen, als Präventivmaßnahme gegen Frauenhandel sozusagen: Junge Frauen, die in der Stadt wohnen und keinen Job finden, sollen eine Alternative bekommen, bevor sie sich auf Menschenhändler einlassen. Grundsätzlich werden Mitarbeiterinnen mit Vorkenntnissen gesucht, also Frauen, die nähen können. Aber die Initiative will andere in eigens konzipierten Workshops auch anlernen. Reiterer will Ende April die Produktion mit 24 Frauen beginnen, Ziel sind 300 Mitarbeiterinnen in drei Jahren.

Das Projekt hat eine Vorlaufzeit von eineinhalb Jahren, in den vergangenen Monaten widmete sich Reiterer ausschließlich diesem Vorhaben, vernetzte sich, ließ sich beraten, las sich ein. Mit ersten Erfolgen: „Es gibt schon einen Investor, noch ein weiterer wäre aber wichtig.“ Die ersten Kleider sollen im Sommer in nigerianischen Shops zu kaufen sein, sowie in Österreich über einen Online-Shop. Wer zugreift, wird übrigens auch gleich mit Info-Foldern zum Thema Menschenhandel versorgt. In Punkto Aufklärung hat Role Model X gegenüber Mango & Co wohl schon einmal die Nase vorn.

www.ngoexit.org
www.rolemodelx.com

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