Einschneidende Veränderungen

Von Irmgard Kirchner · · 2013/12

Was kann wem zugemutet werden? Klimapolitik dreht sich auch um Gerechtigkeit.

Es passte wie die Faust aufs Auge: Vier Tage vor Beginn der 19. UN-Klimakonferenz in Warschau im November wurden weite Teile der Philippinen vom vermutlich stärksten Taifun verwüstet, der je auf Land traf. Etwa vier Millionen Menschen sind betroffen, Tausende starben. Auf Grund der Erderwärmung müssten wir uns auf eine Zunahme derartiger extremer Wetterereignisse einstellen, hören wir aus dem Mund von KlimaforscherInnen – nicht zum ersten Mal. Der Delegationsleiter der Philippinen trat sofort nach seiner Ankunft in Warschau in Hungerstreik: „Wir müssen endlich etwas tun, nicht nur reden, reden, reden!“

In Warschau arbeiteten die Delegierten an einem neuen Klimaabkommen, das 2020 in Kraft treten soll. Das Ziel, die Erderwärmung auf die gerade noch verkraftbaren zwei Grad plus einzubremsen, war allerdings schon im Vorfeld abgeschrieben. Die Welt bewegt sich zu auf einen Temperaturanstieg von drei oder vier Grad, mit unkontrollierbaren Folgen. Eine Reduktion oder Milderung („Mitigation“) des Klimawandels – bis vor einigen Jahren postulierte Hauptanstrengung der Klimapolitik – verlangt scheinbar zu einschneidende Veränderungen unseres Lebensstils. Die Konsequenzen müssen jene Länder hinnehmen, die als erste von den zerstörerischen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Diese, meist armen Länder im globalen Süden wie die Philippinen, sollen dabei unterstützt werden, mit den Folgen der Erderwärmung zurecht zu kommen.

PolitikerInnen setzen also offen auf Anpassung („Adaptation“) an die Klimawandelfolgen, was vor wenigen Jahren noch als Scheitern der Klimapolitik angesehen worden wäre. Diese Politik ist ignorant, verantwortungslos und ungerecht.

Denn zynischerweise werden die Lebensräume derjenigen, die bisher am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, als erste und am stärksten von ihm getroffen. Arme Länder und Bevölkerungsschichten sind am wenigsten „anpassungsfähig“ und daher bei Naturkatastrophen am verletzlichsten. Schließlich gibt es auch bei Naturkatastrophen Profiteure, die diese strukturelle Ungerechtigkeit noch verschärfen, wie man in New Orleans und Haiti gesehen hat.

Es wird auch in den reichen Ländern einschneidende Veränderungen geben müssen. Visionen, wie diese umgesetzt werden können, sind da. Es braucht eine radikale Energiewende sowie ein völliges Umdenken in Bezug auf unseren Umgang mit Ressourcen und unsere Art zu leben. An der Basis, bei den so genannten normalen Leuten, boomen Initiativen des Wandels. Immer mehr Menschen suchen Alternativen zu einem Leben, in dem sie sich für überhitzten Konsum völlig verausgaben. Doch individuelle Visionen werden nicht ausreichen, so lange die Politik dem marodierenden Geld und dem Finanzsektor zuarbeitet und sich mehr für die Bankenrettung und Interessen der eh schon Reichen engagiert als für die Rettung des Weltklimas.

Ist das Weltklima nicht systemrelevant? Eine Welt, in der eine Vielzahl von Menschen keine Lebensgrundlage mehr hat, ist mit Sicherheit für alle, auch für Reiche, kein gemütlicher Ort.

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