Ein Hedgefonds aus den USA will Argentinien in den Ruin treiben, um sich selbst die Taschen zu füllen. Doch vorerst ist dieser Angriff gescheitert; Ende Februar fällt die endgültige Entscheidung.
Im Oktober 2012 lief das argentinische Segelschulschiff Libertad („Freiheit“) auf einer regulären Ausbildungsfahrt den ghanaischen Hafen Tema an. Dort erwarteten Kapitän und Besatzung des Schiffs eine böse Überraschung: Die örtliche Küstenwache hinderte die „Freiheit“ am Auslaufen. Hintergrund des Manövers war der Eilantrag eines Geierfonds namens NML Capital, der von Elliott Associates kontrolliert wird und Inhaber argentinischer Staatsanleihen aus der Zeit vor der Staatspleite Ende 2001 ist.
NML hat vor verschiedenen Gerichten weltweit seinen Anspruch auf Zahlung der ursprünglichen, nicht umgetauschten Schuldtitel bestätigt bekommen, konnte aber bislang dieses Recht noch nirgendwo durchsetzen. Auch der Zugriff auf ein Kriegsschiff – das ist der an sich sehr friedliche und unbewaffnete Dreimaster formell – ist juristisch fragwürdig. Gleichwohl entschied der ghanaische Richter dem Antrag von NML Capital entsprechend.
Ende Dezember brachte auf Antrag der argentinischen Regierung eine Entscheidung des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg die Wende: Dem Segelschiff wurde diplomatische Immunität zuerkannt, und am 9. Jänner konnte es im argentinischen Seebad Mar del Plata von Präsidentin Cristina Kirchner mit einem großen Feuerwerk empfangen werden.
Argentiniens Problem besteht aber weniger aus diesem spektakulären Fall. Gravierender war vielmehr ein gleichgerichtetes Urteil des Richters Thomas Griesa vom Second Circuit in Manhattan. Dieser hatte – ebenfalls im Oktober 2012 – entschieden, dass der selbe Fonds sowie einige Mitkläger Zugriff auf Mittel bekommen müssen, die Argentinien über einen New Yorker Treuhänder an die Inhaber derjenigen Anleihen zahlt, die sich 2005 bzw. 2010 an dem von der Regierung betriebenen Schuldenschnitt beteiligt haben. Nach dem Urteil musste Argentinien seinen Treuhänder anweisen, Zahlungen an die Kläger in gleichem Umfang wie auch an die regulären Inhaber der aus dem Umtausch hervorgegangenen Anleihen vorzunehmen. Um Argentinien keinen Ausweg zu lassen, hatten die Kläger überdies eine „Pfandsumme“ von 1,3 Mrd. US-Dollar verlangt, noch bevor die nächsten Zinsen an seine regulären Bondholders fällig werden. Dieser Aufforderung hatte Argentinien allerdings nicht entsprochen.
Während das Segelschulschiff ein wichtiges nationales Symbol darstellt, doch nur einen geringen Millionenbetrag wert ist, geht es bei dem New Yorker Urteil um sehr viel Geld. Allerdings siegten auch hier vorläufig die Argentinier: Ein Berufungsgericht setzte das Urteil bis zum 27. Februar aus. Es bemängelte, dass das Prinzip der „Gleichbehandlung“, auf das die Kläger sich berufen hatten, vom Richter nicht überzeugend definiert worden war. Erst in der erneuten Berufung Ende Februar wird sich zeigen, ob das Land verlässlich vor solchen Attacken geschützt ist oder nicht.
Argentinien ist der spektakulärste und auch der vom Volumen her bedeutendste souveräne Schuldner, der im Moment von Geierfonds in Schwierigkeiten gebracht wird. Es ist aber keinesfalls der einzige. Seit 2006 veröffentlichen Weltbank und IWF in ihren jährlichen Berichten zur Umsetzung der HIPC-Entschuldungsinitiative eine Übersicht über Klagen gegen HIPC-Länder (hochverschuldete Staaten). Die Kläger sind entweder Altgläubiger, die sich weigern, wie von Weltbank, IWF und Pariser Club empfohlen, auf einen größeren Teil ihrer Forderungen an die ärmsten Länder der Welt zu verzichten, oder es sind Investment-Fonds, die diese Forderungen von solchen Altgläubigern mit einem hohen Abschlag auf dem Sekundärmarkt gekauft haben. Im Umsetzungsbericht 2011 berichten die Washingtoner Institutionen von insgesamt 17 Klagen gegen sechs Länder, die die Initiative bereits durchlaufen haben, und gegen zwei, denen sie (möglicherweise) noch bevorsteht.
Dieser Beitrag ist eine gekürzte und aktualisierte Version des Textes, der im Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (12/2012) erschienen ist.
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Das Geschäftsmodell der Geier beruht darauf, dass Entschuldungsverfahren für Staaten nicht umfassend sind. Hätte Argentinien im Jahr 2001 Zugang zu einem Entschuldungsverfahren gehabt, welches alle Forderungen einbindet, hätte der Tätigkeit des Hedgefonds die Grundlage gefehlt. Auch Verfahren im Pariser Club finden ja nicht unter Einschluss aller Forderungsinhaber statt. Deswegen bestand überhaupt erst die Möglichkeit, dass z.B. Rumänien seinerzeit eine Forderung gegenüber Sambia an Elliott Ass. verkaufte, mit der der Fonds letztendlich Sambia zur Zahlung eines Mehrfachen der ursprünglichen Schuldsumme zwingen konnte. Hätten Sambia oder heute eben Argentinien die Möglichkeit zu einem Schuldenschiedsverfahren unter Beteiligung aller Gläubiger gehabt, wären auf der Grundlage der New York-Konvention über die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche alle Vertragsstaaten der Konvention verpflichtet gewesen, die im Verfahren ausgesprochene Umschuldung als für alle Gläubiger verbindlich anzuerkennen.
Einen etwas anderen Weg hat man in Großbritannien gewählt. Als Reaktion auf den Fall Elliott vs. Sambia hat die seinerzeitige Labour-Regierung unter Gordon Brown ein Gesetz erlassen, welches es britischen Gerichten unmöglich macht, klagenden Forderungsinhabern Ansprüche zuzusprechen, die höher sind als das, was sie bekommen hätten, wenn sie Teil eines Umschuldungsprozesses gewesen wären. Auf Deutsch: Wenn der Pariser Club unter den so genannten Cologne Terms einem armen Land eine Schuldenerleichterung von 90% zuspricht, dann kann auch kein anderer Gläubiger auf seine Forderung mehr als 10% bekommen. Das Gesetz ist leider nur auf die wenigen HIPC-Länder begrenzt und nützt daher Argentinien nichts.
Schuldner, Regierungen und kooperierende Privatgläubiger gemeinsam gegen die Geier: In bemerkenswerter Einigkeit haben in New York die US-Notenbank und die Investment-Fonds, die sich am Schuldentausch beteiligt haben, vor dem Berufungsgericht deutlich gemacht, dass eine Bedienung der Geier der Außenpolitik der USA ebenso widerspräche wie den legitimen Interessen US-amerikanischer Investoren. In diesem Sinn hat der Fall in den USA und darüber hinaus eine interessante Diskussion darüber ausgelöst, ob nicht alle (gutwilligen) Parteien mit einem geordneten Insolvenzverfahren besser fahren würden als mit dem gegenwärtigen „Nicht-System“.
Jürgen Kaiser ist Koodinator von „erlassjahr.de“, einer Initiative für einen fairen Umgang mit verschuldeten Staaten.
Links zum Thema: www.erlassjahr.de, www.ft.com – Eingabe im Suchfeld: „Elliot Associates“.
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