Der südafrikanische Journalist Raymond Louw kämpft auch mit 86 Jahren noch unermüdlich für die Pressefreiheit. 2010 ernannte ihn das International Press Institute (IPI) zum „World Press Freedom Hero“. Im Juli war er auf Einladung der Austrian Development Agency in Wien. Mit ihm sprach Südwind-Redakteurin Nora Holzmann.
Südwind-Magazin: Die südafrikanische Regierung plant ein neues Mediengesetz zum Schutz von Staatsinformationen. Kritikerinnen und Kritiker nennen es „Secrecy Bill“, Geheimhaltungsgesetz. Sie befürchten das Ende der Informationsfreiheit. Wie sehen Sie den Gesetzesentwurf und die Chancen auf Umsetzung?
Raymond Louw: Der Protest dagegen begann bereits 2008, als der Gesetzesentwurf das erste Mal dem Parlament präsentiert wurde. Der Hauptkritikpunkt war, dass das Gesetz so breit formuliert war, dass die Regierung praktisch jede Information geheim halten könnte, die sie wollte. Wir Kritiker sagten, der Zweck des Gesetzes sollte sein, jene Informationen geheim zu halten, die von wesentlichem Interesse für die nationale Sicherheit wären. Dies wurde dann zwar entsprechend umformuliert, aber nach wie vor ist das Gesetz zu weitgehend und gibt dem Sicherheitsminister zu viel Macht. Ein Journalist, eine Journalistin und jede andere Person, die ein als geheim eingestuftes Dokument zugespielt bekommt und es irgendwo veröffentlicht, kann dafür ins Gefängnis zu kommen – selbst wenn es von öffentlichem Interesse ist.
Das Gesetz hat in der Nationalversammlung eine beträchtliche Mehrheit bekommen. Jetzt liegt es beim National Council of Provinces, dem Oberhaus des Parlaments. Alle vorliegenden Einwände, und es sind 292, sollen nun geprüft werden. Die Regierung kann das Gesetz in jedem Fall erlassen. Dann aber haben die Printmedien und der Gewerkschaftsbund angedroht, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen.
Der südafrikanische Politikwissenschafter Imran Bucchus schrieb in einem Kommentar zur Kampagne gegen das geplante Gesetz, dass der Protest nur von der Mittelklasse und von von Weißen geführten NGOs ausgehen würde und deshalb zum Scheitern verurteilt sei. Ist Pressefreiheit für die breite Bevölkerung Südafrikas ein Thema?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass arme Landarbeiterinnen und -arbeiter sehr interessiert am Thema Pressefreiheit sind. Obwohl sie viel Radio hören. Die Armen und Arbeitslosen befassen sich nicht mit dem Thema, es sind tatsächlich vor allem die Angehörigen der Mittelklasse, die Intellektuellen. Deshalb sind aber die Argumente nicht falsch.
Wenn das Gesetz kommt, was könnten die Auswirkungen auf andere afrikanische Länder sein?
Die Gefahr ist, dass Südafrika als Beispiel dienen könnte, wie mit Medien auf Gesetzesebene umzugehen ist. Wenn es Südafrika macht, warum können wir das nicht tun? Wir sollten es vielleicht sogar!
Laut aktuellen Daten der US-amerikanischen Organisation Freedom House verfügen nur fünf Länder in Afrika über eine freie Presse. Südafrika wurde im Ranking auf „teilweise frei“ herabgestuft.
Südafrika wurde 2010 heruntergestuft, weil die Regierung laut Freedom House Feindseligkeit gegenüber den Medien zeigte. Dies wurde nicht genauer spezifiziert. Das heißt, dass nur noch fünf Länder unter 54 mit einer freien Presse übrig bleiben, was schrecklich ist. Schlimm ist aber auch, dass die südafrikanische Regierung nicht darauf reagiert. Es ist ihr egal, denn in Wirklichkeit hat diese Einstufung nur sehr geringe Auswirkungen auf die Investitionen im Land. Aber manche Investoren ziehen tatsächlich Konsequenzen.
Nobelpreisträger Amartya Sen sagte, es hätte in der jüngeren Geschichte noch nie eine Hungersnot in einem Land gegeben, in dem Pressefreiheit herrscht. Würden Sie zustimmen?
Ich stimme zu. Auch der frühere Weltbank-Präsident James Wolfensohn betonte die Katalysator-Rolle der Medien im Kampf gegen weltweite Armut. Je höher die Pressefreiheit in einem Land ist, desto besser wird Korruption kontrolliert und desto mehr konzentrieren sich Regierungen auf zentrale Fragen der Entwicklung. Wo es Pressefreiheit gibt, so denke ich, sind Hungersnöte, Armut und ausufernde Korruption zumindest unwahrscheinlicher.
Was haben Sie in Ihrem Kampf für Pressefreiheit während des Apartheid-Regimes gelernt, dass sie anderen mitgeben können?
Dass sie weiterkämpfen sollen. Der Kampf für Pressefreiheit endet nie. Er benötigt ständige Wachsamkeit und Entschlossenheit. Denn sogar die demokratischste Regierung will hin und wieder bestimmte Freiheiten der Medien beschränken.
Die Leute sollten sich daran erinnern, dass Pressefreiheit nicht ein spezielles Recht der Medien ist. Es ist die Freiheit jedes einzelnen, über die wir hier reden. Ich fürchte, die Menschen erkennen nicht, dass ein Anschlag auf die Pressefreiheit ein Anschlag auf sie alle ist.
Was kann auf internationaler Ebene getan werden, um weltweite Pressefreiheit zu fördern? Wie lautet Ihr Ratschlag für die Menschen und die Regierung in Österreich?
Schreit so laut ihr könnt für die Pressefreiheit! Protestiert so laut wie möglich, wenn irgendwo auf der Welt das Recht auf Informationsfreiheit beschnitten wird! Auch die Regierungen sollten das machen. Sie tun es nicht, aber sie sollten.
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