50 Jahre Grenzen des Wachstums

Von Richard Langthaler · ·

Über die Klimaerhitzung wird breit diskutiert. Allerdings waren viele Fakten schon vor über 50 Jahren bekannt – Politik und Wirtschaft haben sie nicht ernstgenommen.

1972 wurde „Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht – ein Bericht, in Auftrag gegeben vom Club von Rom. Dieser Zusammenschluss von Expert:innen verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern wurde 1968 gegründet. Schon damals war das Ziel der gemeinnützigen Organisation, sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen.

Fünf Tendenzen mit globaler Wirkung wurden mit einem computergestützten Weltmodell untersucht: Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung von Lebensraum.

Die Schlussfolgerungen des Berichts: Wenn die Zunahme von Weltbevölkerung, Umweltverschmutzung, Industrialisierung, Rohstoffverbrauch sowie der Nahrungsmittelproduktion anhalten, werden in den nächsten 100 Jahren die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde erreicht sein. Es wurden auch Möglichkeiten aufgezeigt, das exponentielle Wirtschaftswachstum einzubremsen und einen ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand zu erreichen. Aber nur technische Lösungen (grünes Wirtschaftswachstum, Geburtenkontrolle, Reduktion des Rohstoffverbrauchs und der Schadstoffe) würden nicht ausreichen, um die entsprechenden Kipppunkte zu vermeiden.

Warnung vor Kollaps ab 2030
2004 ergab ein 30-Jahre-Update, dass durch Weiterführen des „business as usual“ in den meisten Szenarien ein Überschreiten der Wachstumsgrenzen und ein möglicher Kollaps ab 2030 zu erwarten sei. Auch bei energischem Umsetzen von Umweltschutz– und Effizienzstandards kann diese Tendenz in vielen Bereichen nur abgemildert, aber nicht mehr verhindert werden. Erst die Simulation einer überaus ambitionierten Mischung aus Einschränkung des Konsums, Kontrolle des Bevölkerungswachstums, Reduktion des Schadstoffausstoßes und zahlreichen weiteren Maßnahmen ergibt eine nachhaltige Gesellschaft bei knapp acht Milliarden Menschen.

Zum 40-Jahre-Update wurden die wichtigsten Tendenzen bestätigt. Zum Gegensteuern müsse die Weltbevölkerung begrenzt, sowie die Volkswirtschaften radikal umgebaut werden; d. h. Abkehr vom marktradikalen Denken und vom liberalen Welthandel, Einführung höherer Steuern und eines Grundeinkommens – damit soll ein allgemeines Wohlergehen erreicht werden.

Die als notwendig für ein nachhaltiges Weltsystem vorgeschlagenen radikalen Einschnitte in die wirtschaftlichen und politischen Strukturen wurden vielfach als überschießend kritisiert, was letztlich zum fortgesetzten „business as usual“ mit nur kleineren Korrekturen führte.

Entscheidende Veränderungen oder massive Verschlechterung
50 Jahre später – 2022 – betont „Earth for all“ wieder die Notwendigkeit einschneidender Maßnahmen in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Die klare Zielrichtung ist die Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich. Eine ausreichende Deckung der Grundbedürfnisse soll weltweit für max. acht bis neun Mrd. Menschen noch in diesem Jahrhundert erreicht werden: Das heißt, Hunger und Armut abschaffen, Ungerechtigkeit zwischen den Staaten und Ungleichheit innerhalb der Staaten verringern, Geschlechtergerechtigkeit weltweit herstellen und gleichzeitig Klima- und Umweltschutz und langfristige Nachhaltigkeit in allen Sektoren, v. a. in der Landwirtschaft, umsetzen.

Zwei Szenarien werden modelliert: „Zu wenig – zu spät“. Mit weniger einschneidenden Maßnahmen wird die Welt zwar nicht untergehen, aber die Lebensbedingungen werden für die Mehrheit gravierend schlechter werden.

Neue Wege für eine Zukunft für alle
Das andere Szenario könnte mit fünf Kehrtwendungen eine humane Zukunft für alle ermöglichen. Dazu wird in „Earth for all“ angeführt:

1. Armut überwinden: Erteilung von Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds (Kunstgeld für die Schaffung von Währungsreserven eines Staates), Förderung von jungen Industrien in den ärmeren Ländern (z. B. Energiewende) durch die Welthandelsorganisation und Entlastung durch umfassende Schuldenerlässe für arme Länder.

2. Ungleichheit abbauen: höhere Besteuerung von Kohlenstoff- und Ressourcenverbrauch, Stärkung der Arbeitnehmer:innenrechte und Einführung eines Bürgerfonds (Zahlungen für den Natur- und Ressourcenverbrauch), aus dem eine Grunddividende an alle ausbezahlt wird.

3. Frauen befähigen und stärken: Gleichstellung der Geschlechter in Gesellschaft und Wirtschaft sowie Einführung eines universellen Rentensystems.

4. Ernährungssystem umgestalten: Bis 2030 sollen zumindest 50% der Ackerlandes  nachhaltige Landwirtschaft betreiben, mit Umstellung auf regenerative Formen und Wechsel zu gesunder Ernährung.

5. Energiewende: Netto null Treibhausgas-Emissionen bis 2050, Abschaffung aller Subventionen auf fossile Brennstoffe, globale Elektrifizierung, massive Investitionen in Speicherung erneuerbarer Energien.

Zugleich muss sich das Wirtschafts- und Finanzsystem grundlegend in Richtung einer Gemeinwohl-Ökonomie ändern.

Richard Langthaler war von Ende der 1960er Jahre bis heute mit Entwicklungszusammenarbeit und dem Thema der globalen Entwicklung beschäftigt – mit der grundsätzlichen Einstellung, dass in den Industrieländern ein Minus-Wachstum zugunsten einer nachholenden Entwicklung im Globalen Süden stattfinden sollte.

Für den Artikel wurde neben den Büchern der jeweilige zusammenfassende Überblick in WIKIPEDIA (Stand Okt. 2023) verwendet. Leider sind die Berichte (es handelt sich ja um komplexe Computersimulationen) zum Teil sehr technisch geschrieben.

Literatur:
Die Grenzen des Wachstums.
Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Aus dem Amerikanischen von Hans-Dieter Heck. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1972, ISBN 3-421-02633-5; Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1973, ISBN 3-499-16825-1

Buchcover von "Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten"

Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten. Club of Rome (Hg.), oekom Verlag 2022, 256 Seiten; ISBN 978-3-96238-387-9

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen