Seit mehr als zwei Jahrzehnten regiert Präsident Yahya A.J.J. Jammeh im afrikanischen Kleinstaat Gambia. Günter Spreitzhofer porträtiert Afrikas jüngsten Diktator und sein Reich.
Mit vollem Namen nennt sich Gambias Machthaber Seine Exzellenz Präsident Scheich Professor Doktor Al-Haji Yahya A.J.J. Jammeh. Damit Jammeh – Präsident, Regierungschef und oberster General in Personalunion – den Überblick über sein Volk behalten kann, hat er sich ein Wahrzeichen in Banjul bauen lassen: Der zweistöckige Triumphbogen „Arch 22“ mit Museum und goldener Statue davor soll an den Tag der Revolution, den 22. Juli 1994, erinnern und ist das höchste Gebäude der kleinen Hauptstadt, wo nicht einmal 40.000 Menschen leben. Die Durchfahrt darunter darf nur Jammeh selbst benutzen.
Der öffentliche Verkehr liegt in der Hand von klapprigen Taxis, da es weder ein staatliches noch ein privates Busnetz gibt. Die meisten Straßen ins Hinterland sind staubige Pisten voller Schlaglöcher. Im flächenmäßig kleinsten Staat Afrikas, britische Kolonie bis 1965, leben 1,8 Millionen Menschen unterschiedlichster Ethnien auf einer Fläche eineinhalbmal so groß wie das Land Salzburg. Der Staat, dessen Wirtschaft immer noch zu drei Vierteln auf Erdnuss-Export beruht, ist gänzlich umgeben vom zwanzigmal größeren frankophonen Staat Senegal. Die gemeinsame Konföderation Senegambia wurde 1989 aufgelöst.
Als internationale Wirtschaftspartner werden neben den USA Kuba, Nigeria und vor allem Taiwan hofiert, das der VR China – bis 1994 Hauptinvestor im Land – den Rang abgelaufen hat.
80 Prozent der Staatsausgaben dienen dem Kauf von Öl für die Generatoren des Landes, die ab Sonnenuntergang Strom für Licht und Fernsehen erzeugen. Das Öl kommt auch aus Libyen. Gambia unter Jammeh hat als erstes afrikanisches Land bereits im April 2011 die benghazische Rebellengruppe „Transitional National Council of Libya“ anerkannt, unbeachtet von der Weltöffentlichkeit.
Homophober Wunderheiler. Jammeh ist heute 50 und seit 2011 in seiner vierten Amtszeit. Der Präsident glaubt zu wissen, was sein Volk will: Seit dem 1. Februar 2013 gilt eine offizielle Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag, jeweils acht Stunden. Der Freitag soll nunmehr zum „Beten und Ausruhen, für Landwirtschaft und soziale Aktivitäten“ genutzt werden.
Im staatlichen Fernsehen laufen zur Hauptsendezeit Musikvideos, meist unterbrochen von politischen Belangsendungen – allerdings ohne inhaltlich großen Belang. Gelegentlich laufen TV-Heilungs-Shows des Präsidenten persönlich. Schließlich behauptet dieser, „durch göttliche Eingebung“ in der Lage zu sein, durch Handauflegen oder spezielle Kräutermischungen zu heilen. Für Asthma und Aids benötigt er angeblich drei Tage, für Diabetes nur fünf Minuten. Donnerstags kann sich die Bevölkerung in seiner eigenen Klinik in Bakau gratis heilen lassen.
Mitarbeiter der UN oder kirchlicher NGOs, die Jammehs Therapiemethoden in Zweifel ziehen, werden umgehend des Landes verwiesen oder wegen Volksverhetzung zu Zwangsarbeit verurteilt. Kritische Tageszeitungen wie „The Point“ oder unabhängige Radiosender wie „Taranga FM“ sind längst eingestellt.
Ende vergangenen Jahres scheiterte der jüngste Militärputsch. Der Versuch der bunt zusammengewürfelten Truppe unter der Führung zweier amerikanisch-gambischer Doppelstaatsbürger war eher stümperhaft. Seither werden wieder reihenweise missliebige Offiziere, ZivilistInnen und Oppositionspolitiker festgenommen.
2013 ist Gambia aus dem Commonwealth of Nations ausgetreten. Inoffizieller Grund: ein Vorschlag des Staatenverbundes, Kommissionen für Menschenrechte, Medien und Korruptionsbekämpfung einzusetzen. Das kann ein Präsident nicht dulden, der Homosexuelle vor der UN-Vollversammlung als eine der drei größten Bedrohungen für die menschliche Existenz bezeichnete.
Ob die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, die frühere gambische Justizministerin Fatou Bensouda, in ihrer Heimat Handlungsbedarf sieht, bleibt abzuwarten.
Günter Spreitzhofer ist Geograf in Wien.
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