Einwanderung zwischen Stacheldraht und Ghetto. Das Schwarzbuch.
Styria Verlag, Wien 2006. 248 Seiten, EUR 19,90
Es gibt Bücher, die drängen sich in eine Debatte hinein, als wären sie für diese bestellt worden. So eines hat die Journalistin Corinna Milborn mit „Gestürmte Festung Europa“ gerade rechtzeitig vor Beginn eines Ausländerwahlkampfes auf den Markt gebracht. Allerdings diskutiert sie Fragen der Zuwanderung oder der Integrationsbereitschaft von Muslimen auf weit höherem Niveau und mit erheblich mehr Sachkenntnis als jene Politiker und Politikerinnen, die glauben, mit Angstmache und fremdenfeindlichen Tönen Stimmen maximieren zu können.
Die in Wien lebende Autorin hat sich an die Ränder der Europäischen Union begeben, wo um die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla immer höhere Stacheldrahtzäune dafür sorgen sollen, dass keiner mehr ohne Visum in die Festung hereinkommt. Sie hat sich von AugenzeugInnen schildern lassen, wie afrikanische MigrantInnen von marokkanischen Soldaten gejagt werden. Sie berichtet nicht nur von völlig überladenen Booten, die mit ihrer unerwünschten menschlichen Fracht vor den Küsten von Italien und Spanien abgefangen werden. Sie war auch in den Verstecken der Menschen, die auf der Suche nach Arbeit ihr Leben aufs Spiel setzen, um nach Europa zu kommen. Jobs wie auf den andalusischen Gemüseplantagen, wo die illegalen EinwandererInnen nach Strich und Faden ausgebeutet werden.
Corinna Milborn war aber auch in den Vororten von Paris und London, wo die zweite und dritte Generation in stigmatisierten Ghettos lebt – ohne Aussicht, als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt zu werden. Dass dort die Frustration wächst und Hassprediger leichtes Spiel haben, kann nicht erstaunen. Die Autorin liefert anschauliche Reportagen aus einer Welt, die so nah ist und die doch keiner wahrnehmen will. Und sie zeigt auf, wie Europa die MigrantInnen aus Afrika, die es an seinen Festungsmauern anrennen lässt, durch seine Wirtschafts- und Agrarpolitik selbst produziert.
Ein sehr empfehlenswertes Buch, das aber jene bei uns, die es lesen müssten, wohl gar nicht in die Hand nehmen werden…